Karlheinz Six

Pause

Bild: Pause - von Arbeit, Entfremdung und Schöpfung

Kannst du dich noch an deine erste Pause erinnern? Ich mich nicht. Aber sicher haben wir in den ersten Lebensjahren keine Pause gemacht. Da war das Leben noch anders.

Aber wann braucht das Leben eine Pause? Diese Episode handelt vom Arbeiten für die Pause, von der Entfremdung in der Arbeit, dem Menschsein und dem Ruhetag am Beginn der Woche.

 

Diesen Podcast mache ich in meiner Freizeit. Wenn du diese Arbeit auch finanziell anerkennen möchtest, dann kannst du mich über ko-fi auf einen Tee einladen oder direkt über Paypal einen kleinen Betrag senden.

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Transkript

Herzlich Willkommen zur 48. Episode meines Podcasts „aus&aufbrechen“ – dem Podcast für eine offene und kritische christliche Spiritualität.

Wann hast du eigentlich in deinem Leben die erste Pause gemacht?

So richtig kann ich mich an meine erste Pause nicht mehr erinnern. Und doch ist die Pause ein interessanten Phänomen: Sie ist kein Bestandteil des Lebens von Anfang an, sondern wird erst später Teil unseres Lebens. Ein Neugeborenes macht schließlich noch keine Pause. Wovon auch? Und da sind wir schon mitten im Thema.

Diese Folge beschäftigt sich also mit der Pause und ihrer Bedeutung, der Arbeit, die entfremdet, und dem Menschsein. Gegen Ende komme ich dann noch auf die Schöpfung zu sprechen und auf einen Gedanken, den bisher meines Wissen noch niemand hatte. Und ganz am Schluss erwartet dich noch eine persönliche Erklärung, wie es heute so schön heißt.

Bevor es aber losgeht, möchte ich mich einmal sehr herzlich bei allen treuen Hörerinnen und Hörern bedanken. Vor allem auch für die positiven Rückmeldungen, die ich bekomme. Es freut mich auch, wenn ihr meine Folgen in eueren Netzwerk weiterschickt, sodass sie auch andere hören können. Nachrichten von euch und Kommentare auf meiner Webseite lese ich immer gern. Auch Themenvorschläge für neue Folgen nehme ich sehr gern entgegen. Und vielleicht will ja auch einmal der eine oder die andere selbst in diesem Podcast vorkommen. Einfach mir schreiben und sagen: „Ich will quatschen.“

– So jetzt geht’s aber los.

Also, meine erster Erinnung an Pausen habe ich aus der Schule. Der Vormittag war eingeteilt in Unterrichtsstunden und dazwischen Pausen. Nach dem Schulvormittag spricht man nicht mehr von Pause, sondern von Freizeit.

In diesem Kontext ist die Pause eine kurze Unterbrechung des Gleichartigen. So machen wir auch in der Arbeit eine Pause, wenn danach die Arbeit weitergeht.

Mit der Pause verbindet man auch einen Zweck. Besser gesagt: Die Pause besteht wesentlich aus diesem Zweck: Sie soll uns wieder fähig machen, das, was wir vor der Pause getan haben, auch nach der Pause wieder tun zu können.

Das bedeutet: Irgendeine Fähigkeit verlieren wir, wenn wir etwas tun. Während der Unterrichtsstunde verlieren wir eine Fähigkeit. Auch während des Arbeitens. Ganz Unterschiedliches ist damit gemeint: Wir verlieren die Konzentration, die Energie, die Motivation oder andere. Die Pause soll das wiederherstellen.

Also: In einer leistungsorientierten Gesellschaft hat die Pause den einzigen Zweck, uns wieder leistungsfähig zu machen.

Man stelle sich das einmal umgekehrt vor: Das Arbeiten hat einzig und allein den Zweck, eine Pause zu haben. Also: Das Hauptding, das Ziel ist die Pause, nicht die Arbeit und nicht der Unterricht. Also: Alles, was wir arbeiten, machen wir nur, damit wir eine Pause haben.

Klingt auf der einen Seite komisch. Man könnte ja auch ganz und gar mit dem Arbeiten aufhören. Ja, aber dann hat man halt keine Pause mehr, sondern nur viel Zeit für irgendwas anderes. Pause gibt es nur, wenn es auch eine Tätigkeit gibt, von der man Pause machen kann. Gibt es keine Tätigkeit, gibt es auch keine Pause.

Auf der anderen Seite ist der Gedanke von der Arbeit, die den Zweck hat, eine Pause zu haben, gar nicht so abwegig: Denken wir an den Urlaub, der von manchen als nichts anderes gesehen wird, als eine etwas längere Pause: Viele arbeiten das ganze Jahr, um es sich dann im Urlaub so richtig gut gehen zu lassen. Sie schuften und schinden, um genügen Geld zu verdienen, damit sie dann in ihrer langen Pause auch so richtig Urlaub machen können.

Es kommt halt immer auf die Perspektive an:

Die Arbeitgeber möchten, dass die Arbeitnehmer in der Pause wieder fit fürs Arbeiten werden, damit der Betrieb läuft. Die Arbeitnehmer arbeiten hingegen auf die Pause und den Urlaub hin.

Ich kann mir gut vorstellen, dass viele im Urlaub und in der Freizeit das eigentliche Leben sehen. Da kann man so richtig der sein, der man eben ist. Nicht wie in der Arbeit. Man kann sich ausleben, man kann das Leben erleben und im Leben etwas erleben. Man ist beim Eigentlichen des Lebens, ganz bei sich.

Nicht von ungefähr spricht man von der Work-Life-Balance und setzt darin das Leben der Arbeit gegenüber. Es ist ein Leben in den Pausen. Was zweierlei bedeutet: Das Leben findet in der Pause statt und das Arbeiten ist die Pause vom Leben.

Das hat wohl auch damit zu tun, dass manche ihre Arbeit als Entfremdung wahrnehmen: In der Arbeit sind sie nicht sie selbst. Sie müssen jemand anderer sein. Sie müssen ständig für jemand anderen sein, nicht für sich. Sie müssen Tätigkeiten verrichten, die sie vielleicht gar nicht wollen. Sie machen es, weil der Urlaub winkt.

Das Ende der Entfremdung, das ganz Bei-sich- und Für-sich-Sein. Das echte Leben, das echte Ich. So geht es plötzlich bei der Pause um das eigentliche Menschsein. Der Zweck der Pause ist nicht einfach die Rückgewinnung irgendeiner Fähigkeit, sondern die Rückgewinnung des Menschseins, ja, sogar manchmal seiner Würde.

Nur komisch, dass viele Menschen gerade im Urlaub Zerstreuung suchen. Dieser Begriff gefällt mir: Auch bei der Entfremdung in der Arbeit streut man sich aus, wie das Salz oder der Kiesel, der auf eisige Fahrbahnen gestreut wird. Man streut sich aus auf anderes und andere hin. Und anstatt im Urlaub sich wieder einzusammeln, die zerstreuten Teile wieder aufzuheben und zusammenzusetzen, verbringt man seinen Urlaub in neuer Zerstreuung. Und dabei bleibt man sich selbst wieder fremd.

Aber man ist dann halt wer nach dem Urlaub: Man kommt zurück und kann anderen erzählen, was man so alles getan hat. Und man erntet Bewunderung. Und dann ist man wer. Und dieses Wer-Sein kann man heute sofort in den Sozialen Medien posten. Da kann man zeigen, wer man ist. „Seht her, das bin ich!“

Man übersieht, dass man nur wer ist, für andere. Schon wieder für andere. In der Arbeit für andere, im Urlaub für andere. Aber wer ist man selbst, wer ist man für sich selbst? Wer sich nicht sammelt, wird diese Frage nicht beantworten können.

Nicht jede Arbeit muss entfremdend sein. Wir kennen das ja auch: Wir machen etwas mit voller Begeisterung, wir kommen – wie es heute heißt – in einen Flow und sind dabei ganz bei uns selbst. Eine Arbeit, mit der wir uns voll identifizieren können.

Interessant dabei ist: Wir brauchen dann so gut wie keine Pause. Wir können oft Stunden ohne Pause mit einer solchen Arbeit verbringen. Sicher: Irgendwann brauchen wir eine Pause. Wir sind körperliche Wesen, haben Hunger und müssen uns auch mal erleichtern.

Und dennoch scheint es, dass die Pause vor allem dann gebraucht wird, wenn wir Arbeiten verrichten, in denen wir eben nicht in den Flow kommen, mit der wir uns weniger identifizieren, die wie eine Last auf uns liegt. Und je größer die Last, desto mehr Pause ist notwendig. Die Häufigkeit der Pausen könnte daher auch ein Anzeichen sein, dass wir die falsche Arbeit machen.

Da das ein christlicher Spiritualitäts-Podcast ist, möchte ich natürlich auch eine Verbindung mit dem Glauben ziehen. Mir ist nämlich etwas aufgefallen, was bisher scheinbar niemand so richtig bemerkt hat. Zumindest nicht, soweit ich weiß.

Und damit komme ich nochmals auf das Thema des Menschseins zurück. Und zur Frage: Geht es in der Pause um die Wiederherstellung des Menschen, geht es um die Verzweckung für die Arbeit oder vielleicht doch noch um etwas anderes, um mehr?

Im Alten Testament finden wir ja viele Arten von Pausen und Unterbrechungen. Ich nennen nur das Jubeljahr, auf das ich jetzt nicht weiter eingehen möchte. Eine andere Pause ist der Sabbat. Er geht zurück auf die Schöpfung, wie sie im ersten Kapitel der Bibel erzählt wird.

Wir kennen das ja: Gott schafft die Welt in sechs Tagen. Am sechsten Tag schafft er den Menschen. Am siebenten Tag ruhte er aus. In der Bibel heißt es da folgendermaßen:

Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er gemacht hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk gemacht hatte. Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk erschaffen hatte.

Spannend: Gott vollendet seine Schöpfung nicht, indem er am Ende noch was schafft oder werkelt oder hervorbringt, auch nicht mit der Erschaffung des Menschen, sondern indem er ruht. Die Vollendung der Arbeit ist nicht das Weglegen der Werkzeuge und das Beginnen der Pause, sondern ist die Pause selbst. Die Ruhe macht das Werk vollendet. Und damit wird diese Pause gesegnet.

Diese Arbeitsstruktur aus Gottes Perspektive hat das Judentum dann übernommen. Geschaffen wurde die 7-Tage-Woche, wobei der letzte Tag, der Sabbat ein strenger Ruhetag ist. Man vollzieht diese Arbeitsstruktur Gottes nach.

Jedoch – und hier kommt nun eine andere Perspektive: Der Mensch wurde ja erst am sechsten Tag geschaffen. Der Mensch hat die ersten fünf Tage gar nicht erlebt. Am sechsten Tag taucht der Mensch auf: Und was erlebt er an seinem ersten vollen Tag? Einen Ruhetag!

Das heißt: Das Menschsein beginnt nicht mit Arbeit, sondern mit der Ruhe. Man kann noch nicht einmal von Pause sprechen, denn noch hat der Mensch nichts getan. Und der Mensch kann einfach Mensch sein – wie ein Neugeborenes.

Das Menschsein wird nicht verzweckt für irgendetwas. Sondern am ersten Tag steht einfach mal nichts auf der Tagesordnung, kein Todo, das zu erledigen ist, keine Termine und auch noch kein Instagram, in dem man zeigen kann, wie toll man selber ist, weil man schon am ersten Tag faulenzen kann. So macht Menschsein doch Spaß!

Das Judentum hat dann dennoch die göttliche Perspektive eingenommen und den Sabbat zum letzten Tag der Woche gemacht. Im Laufe der Geschichte ging der Ruhetag für die Christen vom Sabbat – also vom Samstag – auf den Sonntag über. Am Tag, an dem Christus auferstanden ist. So wurde der Sonntag heiliger als der Sabbat und später wurde der Sonntag auch noch mit dem Ruhetag Gottes bei der Schöpfung in Verbindung gebracht. Da hat man sich in der Interpretation etwas verbiegen müssen.

Interessant daran ist aber: Der Sonntag ist, wenn man es jüdisch sieht, der erste Tag der Woche! In den christlichen Kalendern ist das bis heute so. Nur die staatlichen Kalender haben den Montag zum ersten Tag der Woche erklärt.

Christlich bleibt der Sonntag der erste Tag der Woche: Und das bedeutet, dass aus christlicher Perspektive, die Woche mit der Ruhe beginnt. Ohne, dass das die kirchliche Tradition wollte, vollzieht sie die menschliche Perspektive nach, die in der Schöpfungserzählung vorliegt.

Übrigens: Wer einen Google-Kalender benutzt, kann einstellen, ob für ihn die Woche am Samstag, Sonntag oder Montag beginnt. Überlegt mal, wie ihr das handhaben wollt. Vielleicht wollt ihr die Woche auch lieber mit einem Ruhetag beginnen, einem Tag, der noch gar keine Pause ist, weil noch gar nicht gearbeitet wurde. Weil der Mensch nicht für die Arbeit, schon gar nicht für die Entfremdung in der Arbeit geschaffen ist. Er ist einfach geschaffen, weil er geschaffen wurde. Ohne Zweck.

Dieses Ohne-Zweck-Sein nennen wir auch die Würde des Menschen. Wer also seiner Würde gerecht werden will, beendet die Woche nicht mit der Pause, weil die Arbeit so anstrengend war, sondern beginnt die Woche mit Ruhe, weil er in dieser Zwecklosigkeit seinem Menschsein gerecht wird.

Mein Google-Kalender beginnt jedenfalls mit dem Sonntag.

Und da bin ich schon bei meiner persönlichen Erklärung:

Ich mache eine Pause!

Wer hätt’s gedacht.

Von jetzt an wahrscheinlich bis ca. Oktober werde ich eine Pause einlegen. Das bedeutet:

In dieser Zeit erscheint keine neue Podcast-Episode. Es erscheint auch kein Beitrag meines Blogs „ziellos unterwegs“. Und es wird auf meinen Social Media Kanälen keinen Post geben. Ich werde also da gar nicht hineinschauen und daher eure Nachrichten nicht lesen.

Da ich aber nicht mit Elon Musk auf den Mars fliege, sondern auf dieser Erde bleibe, könnt ihr mir gern E-Mails schicken. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir Themenvorschläge für neuen Podcast-Episoden schickt.

Ja, und wenn ihr meine Arbeit auch monetär ein wenig anerkennen wollt, kann könnt ihr mich gern über ko-fi oder PayPal auf ein, zwei Tee einladen. Links dazu in den Shownotes. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei allen, die das schon getan haben. Der Tee schmeckt ausgezeichnet.

Übrigens: Ich frage deshalb nach solchen Teeeinladungen, weil ich den Podcast nicht nur in meiner Freizeit mache, sondern er mir auch etwas kostet. Und eines möchte ich nicht: Ihn mit lästiger Werbung finanzieren.

Ja, bleibt am Ende nur noch die Frage, warum ich eine Pause mache. Die Frage lasse ich jetzt einfach offen. Niemand muss alles wissen. Also, bis bald.

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