Karlheinz Six

Kinder in unserer Zeit

Bild: Kinder in unserer Zeit

Welche Stellung haben Kinder in unserer heutigen Gesellschaft? Werden Sie benachteiligt oder bevorzugt?

Und in welche Welt setzen wir unsere Kinder eigentlich hinein? Ist die Welt von heute und morgen für unsere Kinder gemacht?

 

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Transkript

Herzlich Willkommen zur 51. Episode.

In der letzten Folge habe ich mich der Frage gewidmet, ob man heute überhaupt noch Kinder bekommen soll. Da bin ich für mich vorerst zum Ergebnis gekommen, dass es keinen Grund geben darf, Kinder zu bekommen. Wenn du Kinder bekommst, ist es gut – ohne Grund. Und wenn du keine Kinder bekommst, ist es auch gut.

Wenn dich dazu mehr interessiert, dann hör dir einfach die letzte Folge an.

Auch wenn es keinen Grund gibt, Kinder zu bekommen, heißt das nicht, dass Kinder nicht immer etwas Gutes wären. Im Gegenteil. Jedoch: Wird das gesellschaftlich auch anerkannt?

Darüber möchte ich heute sprechen: Zuerst schaue ich in die Bibel, vor allem ins Neue Testament, komme dann aber auf die heutige Zeit zu sprechen. Eine Zeit, in der wir Kindern schienbar keine gute Zukunft mehr bieten. Einfließen lassen werde ich dabei auch ein paar Lieder, die sehr schön wichtige Grundaussagen auf den Punkt bringen.

Bevor es aber losgeht, weise ich darauf hin, dass ich mich immer über Kontakt mit euch freue. Schreibt mir ein E-Mail, hinterlasst mir einen Kommentar auf meiner Webseite oder auf meinen Social-Media-Account. Alle Infos dazu findet ihr in den Shownotes.

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Zunächst möchte ich einen Blick in die Bibel werfen. Kinder zu bekommen hat dort eine ganz besondere Bedeutung. Das sieht man vor allem an jenen Frauen, von denen es heißt, dass sie keine Kinder bekommen können. In der Bibel liegt darin immer ein Problem.

Man könnte sagen: Entweder wird darin die Folge einer Sünde gesehen oder die Unfruchtbarkeit dient der Verherrlichung Gottes.

Denn es gibt ja zwei, sehr bekannte Frauen in der Bibel, von denen es heißt, dass sie keine Kinder bekommen können. Die eine ist Sara, die Frau Abrahams, und die andere Elisabet, eine Verwandte von Maria, der Mutter Jesu. Von beiden heißt es, dass sie keine Kinder bekommen können. Beide erhalten aber die Zusage, dass sie einmal Kinder bekommen werden. Und tatsächlich werden dann auch beide schwanger; die eine mit Isaak, die andere mit Johannes, der später der Täufer genannt wird.

Gott kann aus Unfruchtbarem Fruchtbares machen.

In beiden Fällen geht es nicht um die Sünde der Frauen oder deren Ehemänner, sondern um die Präsentation der Macht Gottes.

In beiden Fällen gehört aber auch das Vertrauen in diese Macht Gottes hinzu. Ansonsten könnte er einfach den unfruchtbaren Baum umhauen und ins Feuer werfen. Außer natürlich da ist ein Diener Gottes, der ihn um Geduld bittet und der versucht, den unfruchtbaren Baum noch fruchtbar zu machen. Ich spiele damit auf eine Erzählung im 13. Kapitel des Lukasevangeliums an.

Kinder sind also in der Bibel etwas durch und durch Positives. Wenn wir aus heutiger Perspektive auf die damalige Zeit zurückschauen und fragen, warum Kinder so positiv gesehen wurden, dann verweisen wir oft auf die Funktion, die Kinder in der damaligen Gesellschaft eingenommen haben. Sie waren quasi die Sozialversicherung ihrer Eltern und diejenigen, die das Volk als ganzes am Leben hielten.

Das mag wohl zugetroffen haben. Jedoch: Die Positivität von Kindern auf ihre gesellschaftliche Funktion zu beschränken, bedeutet, sie ausschließlich unter der Perspektive der Mittel-Zweck-Relation zu sehen: Kinder werden dann nur noch als positiv gesehen, weil sie lediglich als Mittel zum Zweck der Elternversorgung dienen.

Egal, ob diese Sichtweise biblisch ist oder ob sie nur von den Interpreten in die Bibel hineingetragen wird: Eine solche Verzweckung von Kindern ist nicht angemessen. Sie haben Würde und sind etwas Gutes ganz unabhängig davon, ob sie eine Funktion erfüllen oder nicht. Das liegt im Menschsein selbst begründet: Der Mensch ist von seinem Sein her gut – auch wenn er böse handelt. Diese wesenhafte Gutheit kann kein Mensch zerstören.

In den Evangelien haben wir zwei bekannte Erzählungen, in denen Jesus sich auf Kinder bezieht. In der einen Erzählung streiten sich die Jünger darum, wer den höhren Rang hat. Jesus zeigt ihnen ein Kind als Beispiel: Die Jünger sollen so werden wie die Kinder.

In der anderen Erzählung bringt man Kinder mit einer Segensbitte zu Jesus. Sie werden aber von den Jüngern am Eintritt gehindert. Jesus weist seine Jünger aber zurecht: „Menschen wie ihnen gehört das Himmelreich, also lasst sie zu mir kommen.“

Wenn wir diese Stellen hören, neigen wir dazu, ein sehr idealisiertes Bild von Kindern hineinzuinterpretieren: Christen sollen dann genauso vertrauensselig, gutherzig, unkompliziert, freudig usw. leben wie die Kinder.

Die Grundaussage ist jedoch eine gesellschaftliche, keine der persönlichen Haltung: Obwohl Kinder biblisch etwas Gutes sind, haben sie gesellschaftlich den letzten Rang. Solange sie noch klein sind, gelten sie weniger als die Frauen. Es geht in diesen Erzählungen also darum, dass die Jünger die letzte Stelle in der Gesellschaft einnehmen sollen – wie die Kinder. Denn Menschen wie ihnen gehört das Himmelreich, also Menschen, die in der Gesellschaft die letzte Stelle einnehmen.

Das erinnert an ein anderes Jesus-Wort: Die Letzen werden die Ersten sein. Oder mit den Worten Marias: Die Mächtigen stürzt er von Thron und erhöht die Niedrigen.

Und das erinnert mich an ein Lied von Herbert Grönemeyer: Kinder an die Macht!

„Sie berechnen nicht was sie tun
Die Welt gehört in Kinderhände
Dem Trübsinn ein Ende“

singt Grönemeyer da. Und ganz am Anfang des Liedes:

„Die Armeen aus Gummibärchen
Die Panzer aus Marzipan
Kriege werden aufgegessen
Einfacher Plan
Kindlich genial“

Grönemeyer meint, wenn die Kinder das Sagen hätten, dann gäbe es keine Kriege, keine Be- und Verurteilungen, keine Strategien und Kalküle. Dafür gäbe es Freude, Lachen und Friede.

Es wäre schön, wenn es so wäre. Jedoch scheint mir das schon eine sehr starke Idealisierung von Kindern zu sein. Ich glaube nicht, dass Kinder so friedlich sind. Wenn einem Kind im Sandkasten die Schaufel weggenommen wird, kann es schon mal zuschlagen. Und aus dem Krieg im Sandkasten kann später ein Weltkrieg werden.

Aber es ist natürlich eine schöne Vorstellung, könnte man Kriege, Hass und Gewalt einfach aufessen und jeder bekommt Erdbeereis auf Lebenszeit.

Welche Stellung aber haben Kinder in der heutigen Gesellschaft?

Ich wage da gar keine eindeutige Antwort zu geben.

Denn auf der einen Seite sind Kinder und Familien mit Kindern vielfältigen Benachteiligungen ausgesetzt. Ich denke da etwa an die Probleme in unseren Schulen: die vielfältigen sozialen und gesellschaftlichen Probleme werden in die Schule hineingetragen, Schulen und Lehrer:innen sind oft überfordert, zu wenige Ressourcen, mit deren Hilfe man adäquat reagieren könnte. Und damit bleiben vor allem jene auf der Strecke, die besonders viel Förderung benötigen würden.

Auch kann die Gesellschaft oft mit problematischen bis delinquenten Verhalten von Kindern und Jugendlichen nicht recht umgehen. Das Kind wird zum Problem erklärt. Dabei übersieht man leicht, dass die meisten Kinder und Jugendlichen nicht ein Problem sind, sondern Probleme haben. Anstatt sich zu bemühen, den Kindern und Jugendlichen Hilfestellung zur Problemlösung zu geben, werden sie selbst als Problem behandelt und ausgeschlossen.

Viele Menschen ahnen gar nicht, mit welch schwerem Rucksack Kinder in jungen Jahren schon herumlaufen müssen: Von klein auf erleben viele Gewalt, entweder an sich oder innerhalb der Familie, entweder durch Schläge oder in sexualisierter Form. Sie erleben den Tod der Eltern oder anderer geliebter Menschen. Sie erleben Trennungen und unzuverlässige Eltern. Sie sind traumatisiert oder leiden an Depressionen. Und all das ist ihnen so fremd und verunsichert sie, dass sie sich schwer tun, ihren Weg im Leben zu finden.

Sie machen Probleme, weil sie Probleme haben. Und so werden sie selbst zum Problem für die Umgebung.

In diese Richtung singt zum Beispiel auch die Sängerin Sarah Lesch in ihrem Lied „Testament“:

„Achtet auf Schönschrift und Lehrpläne
Und dass sie die Bleistifte spitzen
Zeigt ihnen Bilder von Eichenblättern
Während sie drinnen an Tischen sitzen
Und dann ackern und büffeln und wieder auskotzen
Und am Nachmittag RTL 2
Am Wochenende geht’s was Schönes kaufen, fertig ist der Einheitsbrei
Und jeder der sich nicht anpasst
Wird zum Problemkind erklärt
Und jede, die zu lebhaft ist
Kriegt ‘ne Pille damit sie nicht stört
Und damit betrügt ihr euch selber denn
Kein Kind ist ein Problem
Und all die Freigeister, all die Schulschwänzer
Nur Symptomträger im System“

Und welche Erwachsenen kommen bei einer solchen Kindheit heraus? Sarah Leschs Antwort:

„Geht ihr nur malochen für erfundene Zahlen
Und wartet, bis die Burnouts kommen
Schmeißt euer Geld für Plastik raus
Um ein kleines Glück zu bekommen
Das Beste aus Cerealien und Milch
Noch ‘n Carport und noch ‘n Kredit
Und alle finden‘s scheiße aber alle machen sie mit“

Schon am Beginn des Liedes weist sie darauf hin, dass auch wir mal Kinder waren. Welche Welt wollen wir unseren Kinder hinterlassen?

„Und denkt dran bevor ihr antwortet:
Ihr seid auch nur verletzte Kinder“

singt Lesch


„Am Ende gibt’s wieder ganz neue Symptome,
und ihr wart die Erfinder
Und dann sagt ihnen wieder, wie es richtig geht
„Werd erwachsen“ und „bist du naiv“
Predigt Formeln, lasst alles in Hefte schreiben
Die Götter lachen sich schief“

Obwohl sie in ihrem Lied Kinder wie auch schon Grönemeyer sehr idealisiert darstellt, ist ihre Botschaft klar: Kinder sind nicht das Problem. Das Problem ist die Welt, in der sie aufwachsen.

Wenn wir unsere Kinder lieben, dann müssen wir die Welt verändern.

Vielleicht sollten wir wieder zu dem alten Grundsatz zurückkommen, dass es unsere Kinder einmal besser haben sollen als wir. Aber nicht so verstanden, dass sie schön brav und angepasst im materiellen Wohlstand ihres Einfamilienhauses leben. Vielmehr dass sie in einer Welt leben, einer anderen Welt, einer Welt, in der es sich zu leben lohnt, weil mehr Friede, mehr Solidarität, mehr Miteinander und Füreinander, mehr lebenswerte Umgebung das Leben bestimmen.

Trotz dieser Kinder benachteiligenden Dimension unserer heutigen Zeit gibt es auch viele Orte, an denen Kinder und Jugendliche willkommen sind, wo sie sich frei entfalten können und gleichzeitig die notwendigen Grenzen spüren. Kinder werden heutzutage ernster genommen als noch in früheren Zeiten.

Zudem werden Kindern viele Ressourcen zur Verfügung gestellt. Von den Bildungseinrichtungen über Spielplätze bis hin zu Jugendzentren usw.

Auch für die problembeladenen Kinder gibt es viele Einrichtungen und Organisationen, die in der Not beistehen. Sicherlich könnte es immer noch mehr sein, dennoch muss man sehen, dass schon sehr viel getan wird, um diesen Kindern zu helfen, sie zu unterstützen und ihnen bei einem guten Weg im Leben zu begleiten. Sicher hat das alles Grenzen und manchmal hat man das Gefühl, dass gar nichts mehr hilft. Dennoch zeigt das Sozialsystem den Willen, problembeladenen Kindern beizustehen.

Und dann gibt es da noch Eltern, die ihre Kinder fördern und ihnen vieles ermöglichen. Ihnen ein geborgenes Zuhause geben. Sie lieben und fürsorglich zu ihnen sind. Diese Kinder erleben viel Stabilität und Sicherheit. Können sich frei entfalten und sich gut entwickeln. Ihnen stehen dann auch ausreichend Ressourcen zur Verfügung. Wer sich gut benimmt, sich in der Gesellschaft gut einordnen kann, dem stehen auch viele Türen offen, der wird gefördert und kommt weiter.

Kindsein heute ist eine sehr komplizierte Angelegenheit: Je älter die Kinder werden, desto mehr Entscheidungen müssen sie treffen. Die Quantität an Entscheidungen nimmt weiter zu und das führt zu einer Überforderung.

Die Quantität an Schul- und Ausbildungsmöglichkeiten ist extrem gestiegen.

Die Quantität an möglichen Lebensentwürfen ist gestiegen, weil bisherige, traditionelle Konzepte hinterfragt werden.

Auch wie man über das Leben und die Welt denkt, welchen Glauben oder Unglauben man hat, muss heute jeder selbst entscheiden.

War früher die sexuelle Orientierung etwas Angeborenes, so scheint es heute eine Frage der Entscheidung zu sein.

Aber nicht nur über die sexuelle Orientierung muss man entscheiden, sondern auch über das eigene Geschlecht.

Und weil sich unsere Gesellschaft dem Ideal der Selbstbestimmung verschrieben hat, fordern Eltern eben auch von den Kindern sehr früh, dass sie selbst bestimmen sollen, was sie im Leben wollen. Was früher Eltern entschieden haben, müssen heute oft Kinder selbst entscheiden. Und wie gesagt: Das geht bis auf die Ebene der körperlichen Identität.

Denn das Selbstbestimmungsideal duldet keine Vorgaben mehr. Von der Geburt bis zum Tod muss alles in der eigenen Hand liegen. Und das wird in Zukunft noch mehr werden, denn was heute als Wearable am Körper getragen wird, wird Morgen ein Implantat sein und der Körper wird zur Stätte technischer Updates, die die leiblichen Schwächen ausmerzen sollen.

Das Schwache, das Unfertige, das Hässliche – das wird immer weniger Chancen haben. Gegen alles wird es eine technische Lösung geben. Und so steigen die Entscheidungsmöglichkeiten und der Druck, sich entscheiden zu müssen.

Wollen wir eine solche Zukunft für unsere Kinder? Wenn du jetzt sagt: Nein, ist das schön und gut. Sie wird aber kommen. Weil die einflussreichen, die finanzstarken Techgiganten auf das hinarbeiten und uns diese Welt einfach zusammenbauen. Ob wir es wollen oder nicht.

Was ist dann mit dem Jesus-Wort: Werdet wie die Kinder, nehmt die letzte Stelle ein. Die Antwort unserer Zeit: Wozu soll das gut sein, wenn es für jede Schwäche eine technische Lösung gibt. Niemand muss mehr benachteiligt sein, sondern jeder kann sich verbessern.

Mit dieser idiotischen Ideologie sind wir im Laufe der Geschichte schon öftern konfrontiert worden. Die Realität zeigt jedoch: Nur die Reichen und nur die reichen Gesellschaften können sich das alles leisten. Wer heute arm ist, wird auch in Zukunft durch den technischen Fortschritt nicht reicher werden. Vielmehr noch ärmer, weil es den Reichen gelingen wird, noch reicher zu werden.

Wie singt Bettina Wagner in ihrem Lied „Kinder“:

„Sind so kleine Seelen, offen und ganz frei
Darf man niemals quälen, gehen kaputt dabei

Ist so ein kleines Rückgrat, sieht man fast noch nicht
Darf man niemals beugen, weil es sonst zerbricht

Gerade, klare Menschen wären ein schönes Ziel
Leute ohne Rückgrat haben wir schon zuviel“

Kinder sind ein Segen für diese Welt. Aber ob diese Welt auch ein Segen für unsere Kinder ist, das wage ich zu bezweifeln.

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