Karlheinz Six

Von Ort zu Ort durch die Bibel – die Wüste

Bild: Von Ort zu Ort durch die Bibel - Die Wüste

Die Wüste ist eine höchst unfruchtbarer Ort. Wer dort landet, muss zusehen, wie er überleben kann. In der Bibel hat die Wüste eine vielschichtige Bedeutung. Am Ende ist sie Ort des Übergangs, nicht letzte Heimat.

In dieser Advent-Serie behandle ich Orte in der Bibel, die auch als Metapher für das Ende der Welt dienen. So gehen wir Schritt für Schritt aus dem Garten hinaus durch die Wüste auf einen Berg bis wir endgültig in der Stadt landen.

 

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Transkript

Herzlich Willkommen zur 54. Episode.

Ich bin gerade mitten in einer adventlichen Serie über Orte in der Bibel, die in Zusammenhang mit dem Ende der Zeit stehen. Wie es dazu kommt, habe ich in der letzten Folge erklärt.

Da waren wir ja gemeinsam im Garten. Aus dem wurden wir bekanntlich vertrieben. Heute gehen wir weiter und landen in der Wüste.

Die Wüste stellen wir uns sehr unfruchtbar vor. Wasser- und Nährstoffmangel, große Hitze und starke Winde verhindern fruchtbares Wachstum. Nur einige Pflanzen und Tiere haben sich diesen extremen Bedingungen angepasst.

Alles in allem ist die Wüste nicht unbedingt ein Ort, an dem wir Menschen gut und sorgenfrei leben und überleben könnten.

In unserer Gegenwart breiten sich Wüsten sogar aus. Klimawandel, Entwaldung, Überbeanspruchung des Bodens durch die Landwirtschaft und schlechtes Wassermanagement führen zu dieser Ausbreitung. Die Folgen sind Verlust von Ackerland, Verschärfung der Armut und Migration. Das heißt, die Lebensbedingungen für die Menschen werden schwieriger. Oder um im biblischen Bild zu bleiben: Der Garten wird verwüstet.

Ist das überall auf der Welt gleich? Nein. Denn Europa ist der einzige Kontinent, der keine Wüste hat. Daher ist das Problem der Verwüstung nicht unseres. Es scheint also kein europäisches Thema zu sein. Aber die Flucht vor Hunger und Armut wird Menschen auch weiterhin nach Europa treiben. Und damit wird es doch eine europäische Sache.

Nicht die europäischen Sozialsysteme sind die Pullfaktoren der Migration, sondern die Verwüstung der Welt – im mehrfachen Sinn – sind deren Pushfaktoren.

Die Wüste ist also ein sehr gegenwärtiges Thema. Was aber verbindet die Bibel mit der Wüste?

Bevor es nun losgeht, möchte ich mich bei allen treuen Hörerinnen und Hörern bedanken. Vor allem auch für die positiven Rückmeldungen, die ich bekomme. Es freut mich auch, wenn ihr meine Folgen mit eurem Netzwerk teilt, sodass sie auch andere hören können. Nachrichten von euch und Kommentare auf meiner Webseite lese ich immer gern. Ganz herzliches Danke an all jene, die mich über ko-fi oder PayPal auch finanziell unterstützen. Meine ganzen Online-Angebote erstelle ich in meiner Freizeit und sind kostenlos. Und ich will sie nicht mit lästiger Werbung finanzieren.

So jetzt geht’s aber los.

Ich selbst war noch nie in einer Wüste, kann also mit keiner persönlichen Erfahrung aufwarten. Allerdings habe ich im Juni eine interessante Erfahrung gemacht. Ich wollte ja von mir zu Hause nach Assisi gehen. Genaueres kannst du dazu in meinem Blog „ziellos unterwegs“ nachlesen. Auf diesem Weg musste ich auch durch einen ausgetrockneten Fluss gehen. Man kann es sich als Österreicher gar nicht vorstellen, dass dieser Fluss sicherlich ein bis zwei Kilometer breit war – zumindest gefühlt – und nur Steine herumgelegen sind. Mit der Zeit habe ich nur noch Steine gesehen. Einen markierten Weg durch diese Steinwüste – wie ich sie nenne – hat es nicht gegeben. Wenn ich mich ausschließlich auf mein Gefühl verlassen hätte, ich wäre sehr weit vom Weg abgekommen. Die Überquerung habe ich nur geschafft, indem ich ständig auf mein Wander-App geschaut hatte, um meine Ausrichtung immer wieder neu zu justieren.

Das bringt mich gleich zur ersten großen Wüstenerzählung in der Bibel. Die Hintergründe sind ja allseits bekannt: Irgendwie kommen die Israeliten nach Ägypten, lassen sich dort nieder, werden zu einem großen Volk, was den Pharao beängstigt. Also beginnt er Geburtenkontrolle auszuüben und sie zu verklaven.

Mose, der als hebräisches Findelkind am Hof des Pharao aufwächst, ermordet einen Ägypter, als dieser einen Hebräer grün und blau schlägt. Er flüchtet nach Midian und heiratet, erhält aber von Gott den Auftrag, sein Volk aus Ägypten zu führen, in das gelobte Land.

Dem folgt Mose zuerst nicht sehr begeistert. Dann gab es auch noch Schwierigkeiten mit dem Pharao, der seine Sklaven nicht einfach gehen lassen wollte. Wie dem auch sei: Letztlich konnten die Israeliten erfolgreich fliehen und landeten in der Wüste.

Statt dass sie aber nun in das versprochene Land kamen, blieben sie zur Strafe 40 Jahre dort. Mose starb an der Grenze und kam Zeit seines Lebens nicht mehr hinein.

Warum aus Strafe? Ich kann mich ganz gut in die Israeliten hineinversetzen. Da sitzen sie in der Wüste, die nicht fruchtbar ist. Man muss Hunger und Durst leiden, weiß nicht wie man zu etwas kommt und verliert die Hoffnung, dass man überhaupt noch überleben kann. Lieber wären sie in Ägypten geblieben. Da wurden sie zwar versklavt, aber sie brauchten sich um ihre Grundbedürfnisse keine Sorgen zu machen.

Gott ärgert sich über die murrenden Israeliten. Sie haben wohl vergessen, wer Gott ist, dass er der Retter ist. Er versorgt sie mit allem, was nötig ist, mit Wasser aus einem Stein und Brot vom Himmel. Das Murren hört aber nicht auf. Also müssen sie jetzt einfach 40 Jahre in der Wüste verbringen.

Gleichzeitig bleiben sie auf Wanderschaft. Damit die aber den Weg finden, bietet Gott sich als Navi an: Tagsüber als Wolken-, nachts als Feuersäule. Gott ärgert sich zwar über die Israeliten, er lässt sie aber nicht fallen. Das alles findet du im Buch Exodus.

Aus dieser Erzählung ergibt sich schon eine doppelte Perspektive auf die Wüste:

Die Wüste ist einerseits ein Schutzraum: Wer auf der Flucht ist, kann sich in der Wüste schützen, wenn er zu überleben weiß. So flieht auch der Prophet Elia vor der Königin Isebel in die Wüste und wurde dort von einem Engel mit Brot und Wasser versorgt. (1 Kön 19,4-8).

Die Wüste ist andererseits aber auch ein Ort der Vorbereitung: Sie ist ein Zwischenraum, keine Endstation. Es gibt ein Danach, eine Zeit nach der Wüste. Auf diese Zeit soll man sich vorbereiten. So kann das Leben des Volkes Israel in der Wüste weniger als Strafe, denn als Vorbereitung gesehen werden: Sie müssen lernen, dass sie dem wahren Rettergott vertrauen können, dass er für alles sorgen wird. Murren ist fehl am Platz.

Auch Johannes der Täufer lebte in der Wüste und alle möglichen Menschen sind zu ihm gepilgert. Er predigte dort Buße und Umkehr und kündigte das Gericht Gottes an. Der Predigtort steht für den Predigtinhalt: Man muss in die Wüste gehen, in die Unfruchbarkeit, in die Kargheit, dorthin, wo man sich auf das Wesentlichste im Leben beschränken muss, ja, wo das Leben aus Mangel an Fruchtbarkeit sogar bedroht ist, um sich auf die kommende Fülle vorbereiten zu können.

Eine dritte Dimension von Wüste wird deutlich: die Prüfung. Wüste ist ein Ort der Prüfung. So werden die Israeliten geprüft, ob sie das Vertrauen zu Gott halten können. Sie scheitern grandios, doch bei aller Wut Gottes lässt er sie nicht in die Irre gehen.

Deutlich wird der Prüfungscharakter der Wüste auch bei der bekannten Erzählung von Jesus in der Wüste: Auch er muss sich auf seine kommende Aufgabe vorbereiten. Also geht er in die Wüste: Jesus wird aber nicht wie Elia mit Wasser und Brot versorgt. Vielmehr heißt es, dass er fastete und hungerte (Mt 4,1-11).

Das ist natürlich ein gefundenes Fressen für den Versucher, der nach den 40 Tagen plötzlich daherkommt und Jesus alles mögliche anbietet. Wer würde nicht nach 40 Tage fasten, gern einen Schluck Wasser trinken, in eine Hendlhaxe beißen oder – für die Veganer – eine Selleriestange knabbern. Jesus lässt sich nicht beirren. Seine Vorbereitung ist das Widerstehen dieser Verlockungen.

Was hier sehr mythologisch erzählt wird, hat ganz existenzielle Bedeutung: Was wir lange entbehren und worauf wir so lange sehnsüchtig warten, wollen wir vielleicht dann ganz schnell, aber auf dem falschen Weg erlangen. Es geht darum, sich nicht beirren zu lassen, auch wenn man schon so lange, vielleicht zu lange, das entbehrt, was man braucht. Die Entbehrung ist das Einfallstor für das Böse.

Wer also in der Wüste den Verlockungen des Bösen widerstehen kann, ist ausreichend vorbereitet auf seine Aufgabe, gegen den Widerstand der Machthaber, an der Seite der kleinen Leute zu stehen. Macht, Einfluss und Reichtum sind dann keine Versuchungen mehr.

Wie schon in der letzten Folge gesagt, geht es im Advent ja auch um das Warten auf eine zukünftige Welt. Spielt also die Wüste in dieser zukünftigen Welt eine Rolle? Ja und nein.

Wie gesagt: Die Wüste ist ein Übergangsort, es gibt ein Danach. Die Wüste ist also nicht der Ort, der am Ende sein wird.

Sie kann aber eine Metapher eben für einen solchen Ort des Übergangs hin zum Ende sein.

Im Buch der Offenbarung wird in mythologischer Weise erzählt, wie am Himmel eine gebärende Frau erscheint, die von einem Drachen bedroht wird. Sie flieht vor ihm in die Wüste und findet dort Schutz und Sicherheit. Sie bleibt dort 1260 Tage (Off 12).

Die so genannte apokalyptische Literatur, zu der auch die Offenbarung gehört, arbeitet mit starken Bildern. Die Zeit des Endes – so die Vorstellung der Offenbarung und vieler Propheten des Alten Testamentes – wird zuerst keine schöne, sondern eine schreckliche Zeit sein. Die Mächte des Bösen werden wüten. Und sie werden sich dem bemächtigen wollen, der als Retter, als Zerstörer des Bösen, kommt.

Die Frau mit dem Retterkind findet in der Wüste Zuflucht. Das Böse kann sie dahin nicht verfolgen.

Sie bleibt aber nicht für immer dort. Nur 1260 Tage. Das sind 42 x 30 Tage. Oder anders gesagt: 42 Monate. Oder anders gesagt: 3,5 Jahre. 3,5 ist eine Zahl, die eine besondere Bedeutung in der Apokalyptik hat: Sie ist die Hälfte von 7. Sieben ist die Zahl der Vollendung, 3,5 ist daher die Zahl der Vorläufigkeit.

Die Wüste und der Wüstenaufenthalt machen also auf die Vorläufigkeit dieses Ortes aufmerksam. Der Ort bietet Schutz und Sicherheit, indem man sich auf die kommende Aufgabe und Zeit vorbereiten kann. Sie ist aber auch ein Ort der Prüfung, ob man bereit ist, sich dem Kommenden zu stellen.

Am Ende, so habe ich schon in der letzten Folge gesagt, verwandelt sich in christlicher Metaphorik die unfruchtbare Wüste nicht wieder in den fruchtbaren Garten, sondern in die Stadt. Dazu mehr in der übernächsten Episode. Bevor wir in die Stadt gehen, müssen wir aber noch auf den Berg.

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