Karlheinz Six

Dem Waidmann seine Worte von dem Rottkäppchen seiner Rettung

Dem Jäger wird die Ausmerzung des Wolfes dekretiert. Das führt nicht nur zum Rotkäppchen seiner Rettung. Denn Regina wird zur Frau und der Schultheiß in den Kerker geworfen. Dem „Rotkäppchen“ seine Geschichte aus der Sicht des Waidmanns.

Hier findet sich nur der Anfang meiner Geschichte und ich stelle die erste Version der letzten Version gegenüber. So wird deutlich, wie ich an eine Geschichte herangehe.

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Erste Version

„Es war einmal eine Zeit, Herr Cacciatore, da hatten Sie den Wald besser im Griff. So kann es nicht mehr weiter gehen. Es muss jetzt etwas geschehen. Sie sind der Jäger. Also: Jagen Sie!“

Der Bürgermeister brüllte mich mit seinem roten Gesicht kleine Spucketropfen spritzend mitten in mein Ohr. Er war einfach ein Choleriker.

„Jawohl, Herr Pepperone“, hörte ich mich sagen. Es waren fremde Worte, aber sie kamen aus meinen Mund. „Ich weiß, dass die bisherigen Strategien nicht erfolgreich waren. Bitte geben Sie mir einen Tag Zeit, um mir etwas Neues einfallen zu lassen.“

Eigentlich bin ich ja nicht so unterwürfig, aber in diesem Fall hatte ich wirklich Angst, meine Arbeit zu verlieren, wenn ich das Problem nicht in den Griff bekäme.

„Na gut, Cacciatore, ich lasse noch einmal Gnade vor Recht ergehen. Einen Tag! Nicht mehr und nicht weniger.“

Andererseits wusste ich ganz genau, dass auch die politische Zukunft des Bügermeisters auf dem Spiel stand. Seit Wochen setzte ihm die Opposition zu. Und seit einigen Tagen auch die eigene Partei. Er wurde beschuldigt, Gelder zweckentfremdet zu haben. Statt dass ordentliche Weidezäune zum Schutz der Schafe aufgestellt wurden, soll er es für Flugblätter zur persönlichen Imagepflege ausgegeben haben.

Er saß also nicht mehr so fest im Sattel, wie sein cholerisches Auftreten zu vermuten gab.

Ich jedenfalls verließ sein Büro und machte mich auf in den Wald. Mir musste irgendetwas einfallen. So konnte es ja wirklich nicht weitergehen. Da hatte der Pepperone ja recht. Aber seine eigene Verantwortung wollte er auch nicht sehen. Er wollte einfach seine Macht erhalten und klebte an seinem Sessel.

Im Freien hörte ich plötzlich: „Guten Tag, Herr Cacciatore.“

Gedankenverloren sagte ich: „Ah, Rotkäppchen. Schönen guten Tag. Wohin des Weges?“

Letzte Version

„Es war einmal eine Zeit, Herr Cacciatore, da lag Ihnen der Wald zu Füßen wie ein zahmer Wolf seinem Gebieter. Jetzo bringt der Unhold ihn vollständig außer Rand und Band. Dem muss ein Ende gesetzt werden! Dem müssen Sie endlich ein Ende setzen! Der rechten Ordnung muss wieder Geltung verschafft werden. Sie sind der Jägersmann. Also: Jägern Sie!“

Der Schultheiß, ein bejahrter Grisgram mit wohlbeleibter Wampe, wütete, wie wenn er sogleich aus seinem Pelz befördert würde, während er neben mir in mein Ohr brüllte. Dabei schmetterte dem roten Gesicht sein feuchter Mund winzige Tröpfchen in meinen Gehörgang. Er war höchst indigniert und ich befürchtete, von ihm verschlungen zu werden.

„Jawohl, Herr Pepperone“, sprach ich gelassen. „Eine Nacht wird Licht ins das Dunkel bringen. Am morgigen Tag wird uns eine Antwort geschenkt werden. Vertrauen wir auf Gott, den Gerechten.“

„Alsdann, Cacciatore, ich lasse noch einmal vor Recht die Gnade walten. Ihnen sei ein Tag gewährt. Nicht mehr und nicht weniger.“

Die Postillen unserer Stadt breiteten ausführlich und genüsslich das Schauspiel unserer ehrenwerten Regenten aus.

Für Pepperone war das Künftige unsicher. Sollte der Unhold des Waldes nicht gefasst werden, kämen dunkle Zeiten auf den Amtsmann zu. Seine Widersacher wetzten schon die Scheren, weil sie ihm ans Fell wollten.

Selbst seine Getreuen wandten sich derweil gegen ihn ob seiner Sünden. Auf den Almen sollten stattliche Umfriedungen gebaut werden, um das Weidevieh zu behüten. Pepperone solle jedoch die Barschaft zum Nutzen seiner Sippe einverleibt haben. 

„Unser Geld für uns’re Leut’!“ So tobten seine Rivalen.

Ich indes verließ die Amtsstube und zielte auf den Forst, der mir anvertraut war. Im Draußen angelangt, trocknete ich meine Ohren und zog den Odem der Erleichterung in meinen Leib.

„Guten Tag, Herr Cacciatore.“

„Ei, Rotkäppchen. Schönen guten Tag. Wohin des Weges?“


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