Karlheinz Six

Schritt für Schritt dem Tiefpunkt engegen – Teil 3: Es geht bergab

Bild: Schritt für Schritt dem Tiefpunkt entgegen - Teil 3: Es geht bergab

Wenn es im Leben bergab geht, dann ist das für uns oft sehr beschwerlich. Beim Wandern ist es jedoch beschwerlich, wenn es bergauf geht. In meinem Fall geht es aber immer flach dahin, immer gerade aus … und doch geht es Schritr für Schritt bergab.

Mein rechter Fuß beginnt am Fußgelenk zu schmerzen. Ich gehe bei einer Ortschaft vom Weg ab – Richtung Apotheke. Die hat aber noch nicht geöffnet, also setze ich mich in eine Bar.

„Nein, schwarzen Tee haben wir nicht, nur normalen.“
„Können Sie mir einmal die Packung zeigen? – Da sehen Sie? Da steht ‚Tè nero’“
Na, vielleicht hat die Kellnerin wieder was gelernt.
In der Apotheke kaufe ich dann eine Bandage. Dann geht der Weg weiter.

In Camposampiero kommt ich dann bei einem Heiligtum des Hl. Antonius vorbei. Es heißt „Santuario dei noci“ (Heiligtum der Nüsse). Dort gibt es nämlich eine Allee voller Nussbäume. Dort soll ihm die Mutter Gottes mit Kind erschienen sein.

Übernachtet habe ich in Fiumicello, einem Vorort von Padua. Außer einer Dorfkneipe gibt es da nicht viel. Und einen Waschsalon, wo ich meine Sachen waschen kann. Restaurant gibt es keines, also nichts Gescheites zum Essen. Die Unterkunftsgeber sind mäßig freundlich. Beim Frühstück schlawenzelt der Hausherr ständig um mich herum. Sehr unangenehm.

Aber es geht weiter bergab. In meinem Tagebucheintragung vom nächsten Tag – es ist ein Samstag – liest sich das so.

„Heute hatte ich meinen emotionalen Tiefpunkt. Das hat gestern schon begonnen.. Ich fühle michvom Leben in die Knie gezwungen. Gefühlsmäßig gelingt mir nichts mehr; und ich habe immer wieder mit Einschränkungen zu kämpfen.

Das Fußgelenk wir nicht besser und jetzt kommen einige Tage Regen. Das hat mich entscheiden lassen, dass ich morgen nach Assisi fahre und dort fünf Tage verbringe. Dann schau ich weiter.

Dieses Gefühl hat mich heute den ganzen Tag begleitet. Ich weiß nicht, wazu es gut sein soll, aber scheinbar soll es jetzt einmal so sein.“

Es ist der absolute Tiefpunkt. Und es ist nicht einfach der Tiefpunkt des Weges. Es ist ein Tiefpunkt des Lebens. Denn dieser Eintrag bezieht sich nicht nur auf den Weg und das Wandern.

Obwohl ich schon so oft weite Strecken gegangen bin, merke ich erst jetzt, dass man immer auch das Leben mitnimmt. Wenn das Leben Scheiße ist, kann das Pilgern etwas aufbrechen, was dich aufleben lässt. Jetzt aber mache ich die Erfahrung, dass dich das Gehen noch weiter in die Scheiße reintreiben kann. (Verzeiht die Ausdrucksweise, anders kann ich es nicht schildern.)

Aber das ist mir alles erst im Laufe des Tages klar geworden. Der Weg selber war nicht sehr aufregend: Um mir einen öden Weg nach Padua zu ersparen, bin ich von Fiumicello mit dem Bus zum Hauptbahnhof nach Padua. Dort habe ich fast zwei Stunden gebraucht und die Hilfe von Touristeninformationen, bis ich in Monselice – meiner nächsten Station – ein Zimmer gefunden habe.

Dann bin ich los und mehr oder weniger immer geradeaus, immer flach dahin, ohne wirkliche Abwechslung gegangen. Gleichzeitig brannte die Sonne herunter und hat mich ausgedörrt. Ich hatte zu wenig Wasser mit, da auf dem Weg auch kein Brunnen zu finden war. Erst kurz vor Moneslice in Battaglia Terme gab es ein Café, wo ich mich mit neuen Getränken eindecken konnte.

Alles in allem nicht gut gelaufen. Und so hört sich das dann an:

Wie kommt es zum ersten Abbruch. Das erzähle ich im nächsten Beitrag.


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