Karlheinz Six

Schwarzer Vogel – Teil 1 – Kulturgeschichtliches

Bild: Schwarzer Vogel - Teil 1 - Kulturgeschichtliches

Raben, Krähen und andere schwarze Vögel gelten oft als düstere Omen – doch das ist nur die halbe Wahrheit. In dieser Episode tauche ich ein in die symbolische Bedeutung schwarzer Vögel in der Bibel, alten Märchen und der Kulturgeschichte. Was hat es mit Noahs Raben auf sich? Warum werden Brüder in Raben verwandelt? Und was hat Odin mit all dem zu tun? Eine spannende Reise durch dunkle Federn und tiefere Bedeutungen.

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Transkript

Herzlich Willkommen zur 67. Episode.

In zwei Teilen meines Podcasts möchte ich über schwarze Vögel sprechen. Natürlich nicht im Sinne der Ornithologie. Da würde sich jetzt meine Frau besser auskennen. Vielmehr auf einer symbolischen Ebene.

In diesem Teil möchte ich vor allem ein wenig in die Bibel und in ein paar Märchen schauen . Das nächste Mal werde ich über ein paar Lieder sprechen, die schwarze Vögel als Symbol aufgreifen.

Wenn du jetzt glaubst, schwarze Vögel stehen für das Böse und Unheilvolle, dann solltest du auf alle Fälle diese Folge anhören. Denn schwarze Vögel stehen zumeist für etwas Gutes.

Zuvor verweise ich noch auf die vielfältigen Kontaktmöglichkeiten, die du in den Shownotes findest. Über ein finanzielle Unterstützung würde ich mich sehr freuen. Damit ersparen wir uns lästige Werbung.

So jetzt geht’s los.

Wenn ich dich also fragen würde, welcher schwarze Vogel dir aus der Bibel bekannt ist: Was würdest du antworten? Mir fällt spontan der Rabe ein, den Noah aus seiner Arche hinausschickt (Gen 8,11). Nach 40 Tagen Regen und Überquellen der Urfluten, öffnete Noah ein Fenster seiner Arche und ließ einen Raben hinausfliegen. Der flog aber nur hin und her. Dann schickte Noah eine Taube hinaus, die kam aber wieder zurück, weil sie kein Land zum landen fand. Eine Woche später schickte Noah nochmals die Taube hinaus und, siehe, sie kam mit einem Olivenzweig im Mund zurück – ein Zeichen, dass das Wasser zurückgegangen ist und Land hervortrat.

In dieser Erzählung scheinen der Rabe und die Taube gegensätzliche Tiere zu sein. Der Rabe fliegt hin und her; die Taube aber immer hinaus und wieder zurück.

Was also könnte der Rabe hier symbolisieren? Zunächst ist es ja ganz logisch, dass er hin und her fliegt. Es gibt ja noch kein Land, auf dem er landen könnte. Aber er kehrt auch nicht zur Arche zurück. So könnte der Rabe für die Unruhe und die Rastlosigkeit der Welt stehen, die auch nach 40 Tagen immer noch im Getriebe versinkt. Erst als Ruhe einkehrt und das todbringende Wasser zurückgeht und damit wieder Leben möglich ist, tritt die Taube auf. Der Rabe ist nach dem Buch Levitikus (11,15) der unreine Aasfresser, der aber noch kein Aas findet, so sehr er sich auch abmüht.

Hier klingt es so, als ob der Rabe in der Bibel negativ besetzt wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Im ersten Buch der Könige wird der Prophet Elia von Gott zum Bach Krit geschickt. Elia hatte sich nämlich den Zorn von König Ahab zugezogen, weil dessen Reich von Elia eine Dürre vorhergesagt wurde. Elia wurde also von Gott abgesondert, in Sicherheit gebracht und auf eine neue Aufgabe vorbereitet. Am Bach Krit wurde er von Gott versorgt und konnte überleben. Und wer waren die Handlanger Gottes für die Versorgung? Genau: Raben. Es heißt:

Gott sprach: „Und du sollst aus dem Bach trinken, und ich habe den Raben geboten, dass sie dich dort versorgen! Da ging er hin und handelte nach dem Wort des HERRN; er ging und blieb am Bach Krit, der östlich vom Jordan fließt. Und die Raben brachten ihm Brot und Fleisch am Morgen und Brot und Fleisch am Abend, und er trank aus dem Bach..

Die Raben sind also auch jene Geschöpfe, die für die Versorgungsbereitschaft und Fürsorge Gottes stehen. Es liegt daher ja schon fast auf der Hand, dass auch die Raben selbst von Gott versorgt werden. Zwei Bibelstellen drücken das aus.

Im Psalm 147 heißt es:

Gott gibt dem Vieh seine Nahrung, den jungen Raben, die schreien.

Und bei Hiob im 38. Kapitel:

Wer bereitet dem Raben seine Nahrung, wenn seine Jungen schreien zu Gott und umherirren ohne Futter?

Hier wird wieder die Rastlosigkeit der Raben thematisiert, die vor Hunger umherirren wie der Rabe bei Noah.

Und diese weisheitlichen Lehren über die Raben greift Jesus im Neuen Testament auf und stellt uns die Raben als Vorbilder im Vertrauen auf Gott hin. So heißt es im 12. Kapitel des Lukas-Evangeliums:

Seht auf die Raben: Sie säen nicht und ernten nicht, sie haben keine Vorratskammer und keine Scheune; und Gott ernährt sie. Wie viel mehr seid ihr wert als die Vögel!

Es kommen in der Bibel noch andere Vögel vor außer Raben. Bei ihnen ist aber nicht gesichert, ob es sich dabei wirklich um schwarze Vögel handelt.

In der europäischen Kulturgeschichte ist der schwarze Vogel durchaus ein ambivalentes Wesen.

In der nordischen Mythologie haben sie eine ganz andere Bedeutung: Der oberste Gott Odin hat zwei Raben, namens Hugin und Munin. Odin ist der alte weise Göttervater. Seine zwei Raben durchstreifen die Welt und berichten Odin, was sie gesehen haben. So steht Hugin für den Gedanken und Munin für die Erinnerung. Gedanken und Erinnerung sind also wesentliche Elemente für die Weisheit Odins.

Es ist aber ein wenig verwunderlich, dass der Rabe in der Bibel positiv besetzt ist, im Frühchristentum aber Sinnbild für das Böse und Mahnung zur Buße ist.

Da Raben und Krähen wie schon gesagt Aasfresser sind, symbolisieren sie oft den Tod oder kündigen diesen an. Sie sind Vorboten von Unglück, Krieg und Pest. Oft stehen sie daher auch in der Literatur für das Unheimliche, das Beängstigende und das Schuldhafte.

Steht der schwarze Vogel symbolisch für den Tod, dann ist es nur ein kleiner Schritt, dass er auch für eine Verwandlung steht: Altes stirbt, Neues entsteht. So betrachtete man in der Alchemie die Transformation hin zum Höheren und Reineren als einen Weg durch Zerfall und Dunkelheit hindurch. Der schwarze Vogel wird zum Begleiter des Menschen, der durch das Dunkel hindurch zu Höherem aufsteigt.

In zahlreichen Märchen kommen daher schwarze Vögel – auch hier vor allem Raben – vor, die für Verwandlung stehen.

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