Karlheinz Six

Fliegende Motorboote, die in der Ukraine einschlagen

Bild: Fliegende Motorboote, die in der Ukraine einschlagen

Wir hören von der Beteiligung von Chinesen und Nordkoreanern am Krieg Russland gegen die Ukraine. Unberücksichtigt dabei bleibt, wie Russland die Hoffnungen junger, perspektivloser Afrikaner*innen ausnutzt, um seine eigene Kriegsmaschinerie am Laufen zu halten.


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Seit Beginn des groß angelegten russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Jahr 2022 tauchen immer mehr Berichte auf, dass Russland versucht, Menschen aus Afrika für seine Kriegsanstrengungen einzuspannen.

Was zunächst wie einzelne Randnotizen klang, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ein Muster aus Rekrutierung, Täuschung und Ausbeutung, das besonders junge Afrikanerinnen betrifft. Ihnen werden Chancen versprochen, die sie in ihrer Heimat oft vergeblich suchen: gut bezahlte Jobs, Ausbildungsmöglichkeiten, Sprachkurse oder gar die Aussicht auf einen russischen Pass.

Für viele klingt das nach einem Ausweg aus der Perspektivlosigkeit – doch hinter der glänzenden Fassade verbirgt sich eine Realität, die mit Zwangsarbeit, eingeschränkter Freiheit und gefährlicher Nähe zum Kriegsgeschehen verbunden ist.

Afrikaner an der Kriegsfront

Einige der Angeworbenen landen nicht wie erhofft in zivilen Arbeitsfeldern, sondern werden als Söldner an die Front geschickt. Dabei bedienen sich russische Behörden und private Militärfirmen wie Wagner altbekannter Methoden: Versprechen von Sicherheit und Einkommen, die sich schon bald als Illusion erweisen.

Andere wiederum finden sich in Fabriken wieder, weit entfernt vom Schlachtfeld, aber trotzdem mitten im Krieg. Dort montieren sie Drohnen oder arbeiten an Bauteilen, die später in der Ukraine zum Einsatz kommen. Besonders alarmierend sind die Berichte aus Produktionsstätten, in denen Arbeitszeiten ausufern, Sicherheitsvorschriften missachtet werden und mit giftigen Materialien gearbeitet wird.

Viele der jungen Frauen schildern, dass ihnen Reisepässe abgenommen und Bewegungsfreiheiten stark eingeschränkt wurden.

Diese Praxis weist alle Anzeichen von Menschenhandel auf. Die Rekrutierung erfolgt oft über soziale Medien, über Telegram-Kanäle oder sogar über scheinbar seriöse Agenturen. Die tatsächlichen Arbeitsbedingungen lassen sich aus den Herkunftsländern kaum überprüfen, und sobald die Betroffenen in Russland sind, haben sie kaum Möglichkeiten, sich zu wehren.

Sprachbarrieren, Isolation und die Angst vor Strafen verstärken das Gefühl, in einer Falle zu sitzen. Dass internationale Organisationen wie Interpol mittlerweile Ermittlungen aufgenommen haben, zeigt, dass der Verdacht schwer wiegt und nicht mehr ignoriert werden kann.

Armut und Perspektivlosigkeit treiben Afrikaner in die Hände von Menschenhändlern

Warum aber gehen junge Afrikanerinnen trotz der Risiken auf solche Angebote ein? Die Antwort ist so einfach wie bitter: Armut und Perspektivlosigkeit.

In Ländern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit wirken selbst wage Versprechungen verlockend. Wer die Aussicht auf ein stabiles Einkommen und ein Ticket ins Ausland erhält, klammert sich daran, auch wenn die Informationen vage bleiben.

Die Entscheidung, zu unterschreiben, fällt oft im Schatten wirtschaftlicher Not und ohne Zugang zu unabhängigen Quellen, die vor den Risiken warnen könnten.

So geraten viele in ein System, das sie in gefährliche Produktionsprozesse zieht und ihre Rechte mit Füßen tritt.

Alabuga: Ein Beispiel für Täuschung und Ausbeutung

Ein zentraler Ort, an dem sich dieses Muster besonders deutlich zeigt, ist die Sonderwirtschaftszone Alabuga in der russischen Republik Tatarstan. Offiziell gegründet, um Industrie und Technologie voranzutreiben, hat sich dieser Standort inzwischen zu einem der wichtigsten Zentren für die Produktion von Drohnen entwickelt.

Drohnen, die ursprünglich aus iranischen Designs hervorgegangen sind, werden hier in Serie gefertigt – und sie spielen eine zentrale Rolle im russischen Luftkrieg gegen die Ukraine. Offiziell baut die Firma übrigens Motorboote.

Unter dem Namen „Alabuga Start“ werden junge Frauen aus afrikanischen Staaten angeworben. Versprochen werden ihnen Ausbildung, Unterkunft und Zukunftsperspektiven. Was sie tatsächlich erwartet, ist jedoch monotone Montagearbeit an Drohnenbauteilen, oft unter Bedingungen, die von Überwachung, ausufernden Arbeitszeiten und Kontaktbeschränkungen geprägt sind.

Die Bedeutung von Alabuga für Russlands Kriegsführung ist kaum zu unterschätzen. Hier entstehen jährlich tausende Drohnen, die im Ukrainekrieg eingesetzt werden, und genau deshalb steht die Anlage inzwischen auch im Visier internationaler Sanktionen.

Wie solche Rekrutierungsvideos aussehen kann man hier sehen:


Gegenangriff der Ukraine

Es liegt auf der Hand, dass die Ukraine auf die Zerstörung dieser Fabriken abzielt. Immer wieder werden gezielt Angriffe gegen die Produktionsstätten in Alabuga verübt. So meldete der ukrainische Generalstab für den 23. April 2025 einen Raketenschlag auf die Endmontagewerkstatt in der Alabuga Special Economic Zone, mehr als 1.000 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.

Russische Behörden bestätigten Explosionen, behaupteten aber, der Schaden sei begrenzt. Auch wurde berichtet, dass ein Lagerhaus mit Komponenten zur Drohnenfertigung – Gehäuse, Navigations- und Bildverarbeitungsgeräte – zerstört wurde, was Verluste in Millionenhöhe verursachte.

Es gibt zudem Berichte, dass auch einzelne Afrikaner*innen auf Seiten der Ukraine kämpfen, meist als Freiwillige. Bekannt wurde etwa der Fall des marokkanischen Studenten Brahim Saâdoune, der in einer ukrainischen Marinebrigade diente und 2022 in russische Gefangenschaft geriet.

Darüber hinaus kursieren Angaben, wonach Menschen aus Ländern wie Nigeria, Südafrika oder Algerien in internationalen Freiwilligeneinheiten aktiv sein sollen.

Doch diese Informationen sind schwer zu verifizieren: Manche stammen aus russischen Quellen, die mit Propaganda durchsetzt sein können, andere aus lokalen Medienberichten ohne unabhängige Bestätigung.

Klar ist bislang nur, dass es sich – wenn überhaupt – um Einzelfälle handelt und keineswegs um ein breites oder gar organisiertes Engagement afrikanischer Staaten auf ukrainischer Seite.

Mit den Leben junger Afrikaner*innen wird gespielt.

Dass Interpol wegen des Verdachts auf Menschenhandel ermittelt, unterstreicht, wie ernst die Vorwürfe sind. Und doch läuft die Produktion weiter, gestützt durch staatliche Gelder und eine Politik, die keinen moralischen Unterschied mehr kennt zwischen Industrieprojekt und Kriegsmaschine.

So zeigt die Geschichte von afrikanischen Arbeitskräften in Russland ein doppeltes Drama: Auf der einen Seite die jungen Menschen, die ihre Zukunft sichern wollen und dabei alles riskieren. Auf der anderen Seite ein Staat, der ihre Notlage ausnutzt, um seine Kriegsmaschinerie am Laufen zu halten.

Besonders Alabuga wird dabei zum Symbol einer erschreckenden Allianz aus militärischer Produktion und moderner Ausbeutung – ein Ort, an dem der Krieg gegen die Ukraine auf dem Rücken junger Afrikanerinnen weitergeführt wird.

ORF Ö1: Russlands afrikanische Drohnenbauerinnen

Folgendes Audio kann auch in jedem Podcast-Catcher angehört werden.

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