In dieser Folge erläutere ich mein persönliches Glaubensbekenntnis. Im Zentrum: das Schweigen Gottes, das mehr sagt als tausend Worte. Zwischen Schöpfung, Scham und Sehnsucht – was bleibt, ist Hoffnung.
Transkript
Herzlich Willkommen zur 66. Episode.
In der 52. Folge habe ich mein Glaubensbekenntnis vorgelesen. Da für einige die biblischen Ankläge und theologischen Hintergründe nicht sofort eingängig waren, möchte ich nun doch eine Folge machen, die das Bekenntnis ein wenig erläutert. Was habe ich mir dabei gedacht?
Wenn du dich daran nicht mehr so gut erinnern kannst, was ja nur natürlich ist, kannst du dir vorab die 52. Folge nochmals anhören oder das Glaubensbekenntnis auf meiner Webseite nachlesen. Den Link findest du in den Shownotes
Bevor ich aber darauf eingehe, verweise ich noch auf die vielfältigen Kontaktmöglichkeiten, die du ebenso in den Shownotes findest. Über ein finanzielle Unterstützung würde ich mich sehr freuen. Damit ersparen wir uns lästige Werbung.
So jetzt geht’s aber los.
Anfang: Gott schweigt.
Im Mittelpunkt meines Glaubensbekenntnisses steht das Schweigen Gottes. Dies verbindet sowohl theologische wie spirituelle und auch existenzielle Momente des christl ichen Glaubens. Diesem Schweigen geht das Glaubensbekenntnis entlang. Und auch ich gehe diesen Schweigen Gottes entlang.
„Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ So beginnt die Bibel. Gott schafft durch sein Wort – so geht die Schöpfungserzählung weiter. Gottes Wort ist keine Mitteilung, keine Informationsweitergabe, sondern ist schaffendes Wort.
Gott wird in dieser ersten Erzählung vorgestellt als einer, der keine Hände hat, mit denen er aus Erde die Welt schafft. (Das ist die Vorstellung der zweiten Schöpfungserzählung.) Hier aber ist Gott vielmehr einer, der nur sein Wort hat. Das aber bringt alles ins Sein.
Die ersten beiden Strophen thematisieren nun Schöpfung und Christusereignis.
Im ersten Absatz werden die beiden Schöpfungserzählungen – das Sechs-Tage-Werk und der Garten Eden – mit einander verbunden.
Aus dem wirkmächtigen Wort wird der Staub, der für die Hinfälligkeit der Welt steht. Zugleich wird aber durch das Wort dem Staub Leben eingehaucht. So entsteht alles Lebendige. Das Lebendige – symbolisiert durch Adam und Eva – begann sich vor sich selbst zu schämen. Die Geschichte des ersten Menschenpaares dreht sich nicht um Schuld, sondern um Scham.
Danach hat sich das Wort Gottes wieder ins Schweigen zurückgezogen, bis er am Ende sein befreidendes Wort ausghaucht hat. Das Aushauchen spielt dabei auf den Heiligen Geist an, der Jesus, also das befreidende Wort Gottes, erfasst hat.
Nackt wie er am Kreuz starb, wurde seine Scham offen gelegt. Die Menschen gaben ihm aber die Schuld. Der Tod Jesu ist mehr die Befreiung von der Scham, die im Menschen wohnt, als die von der Schuld, die eine Ergebnis der Scham ist.
Mit Auferstehung und Himmelfahrt hat sich das Wort wieder in das Schweigen Gottes zurückgezogen.
Wie ich die ersten Absätze erläutert habe, ist zugleich wahr und falsch. Denn einerseits kann man diese Absätze der Schöpfung und dem Jesus-Ereignis zuordnen. Andererseits sprechen sie etwas Dauerhaftes aus: Das Sprechen des Wortes am Anfang ist zugleich das Sprechen des Wortes am Ende. Am Ende spricht Gott sein Wort und schafft die Welt. Am Anfang hat die Scham unter uns gewohnt und wurde zur Schuld gemacht.
Am Ende macht Gott alles lebendig und durchwirkt alles mit seinem Geist.
Ich möchte damit folgendes sagen: Mein Glaubensbekenntnis ist so geschrieben, dass es mehrdeutig ist und mehrere Ebenen zugleich anspricht. Es gibt keine eindeutige Auslegung. Auch ich kann sie hier nicht liefern, auch wenn das so scheinen mag. Alles hängt auch von den Leser*innen dieses Bekenntnisses ab.
In den folgenden beiden Strophen wird das Kernerlebnis des jüdischen Glaubens angesprochen, das auch für uns Christen gilt: Die Befreiung des Volkes Gottes aus der Sklaverei. Dieses Geschehen findet in Mose seinen Ausgangspunkt und in den Propheten seine lebendige Erinnerung und Fortsetzung.
Mose wird nicht mit seinem Geburtsort „Ägypten“ in Verbindung gebracht, sondern mit dem Ort seiner Flucht „Midian“. Mose ist ein Möder und Flüchtling und bringt seinem Volk in Ägypten das befreiende Wort Gottes.
Israel vertraute ihm, murrte aber auch ständig gegen Gott, weil er nicht so schnell geholfen hat, wie sie es erwartet haben. Sie beteten einen neuen Gott an. Dafür schämten sie sich. Doch Gott befreit von der Scham und ermöglicht einen neuen Anfang.
Einen Anfang, der von den Propheten in die jeweilige Gegenwart geholt wurde. Das durch Menschen immer wieder neu ausgesprochene Wort bleibt befreiend.
Die nächsten beiden Absätze thematisieren das Jesus-Ereignis und führen das im zweiten Absatz des Glaubensbekenntnisses Angesprochene deutlicher aus.
Jesus wird mit der Stadt Nazareth in Verbindung gebracht. Einer Stadt, in der hauptsächlich arme Menschen lebten. Jesus, der Rabbi und Lehrer, gehört zu den armen Menschen.
In Jesus wurde Gott Staub. Er nahm unsere Hinfälligkeit an.
In Anlehnung an den Ausspruch: „Jesus war uns gleich außer der Sünde.“ wird nun gesagt, dass Jesus keine Scham kennt, aber zur Scham gemacht wurde. Ich verstehe hier Sünde nicht von der Schuld, sondern von der Scham her. Aber das wäre Thema eines anderen Podcasts.
Jedenfalls wird im zweiten Absatz die Schamlosigkeit Jesu konkreter ausgeführt, indem das Kind und das Kreuz und damit Geburt und Tod und damit Weihnachten und Ostern zusammengedacht werden.
Der dritte, anders geschrieben Absatz thematisiert das Jesus-Ereignis nochmals, aber von Ende her. Das Wort „endlich“ will sowohl auf das Ende verweisen, in dem der Anfang immer noch präsent ist, aber auch auf die Sehnsucht der Menschen, nach einer endgültigen Befreiung, sodass sie sagen können: „Endlich! Endlich ist sie da!“
Aber auch hier zieht sich das Wort Gottes, Jesus, wieder in das Schweigen zurück. Jesus muss uns verlassen, damit er wiederkommen kann.
Die folgenden vier Absätze thematisieren die menschlichen Zeugen dieses Ereignisses. In Zeiten des Gottesschweigens geben sie Zeugnis von dem Wort, dass früher gesprochen wurde, sich jetzt aber in das Schweigen zurückgezogen hat.
Ich spreche hier nicht einfach von Zeugen, die das Wort Gottes aussprechen. Sondern von jenen, in denen das Wort als abwesendes zum Ausdruck kommt: den Menschen, die Gottes Wort und damit Gott selbst vermissen; den Opfern, die nach dem befreienden Wort Gottes schreien; den Menschen, die das Schweigen nicht mehr aushalten, nicht mehr aushalten wollen. Zu groß ist die Ungerechtigkeit dieser Welt, als dass es noch Gründe gäbe, dass Gott sich nicht zu Wort meldet.
Sie sind Zeugen des Schweigens Gottes.
Der letzte Abschnitt greift in neu gedichteter Form einen alten Hymnus vom Heiligen Geist auf. Es geht um die Bitte, dass die Welt vom Heiligen Geist erfüllt werde, der nur ein anderer Ausdruck für das Wort Gottes ist.
Dieses Heilige-Geist-Wort soll in uns die Liebe starkt machen, sodass alle Menschen sich als Gemeinschaft verstehen, die kein draußen mehr kennt.
Das Bekenntnis nennt als nächstes das typische Gebetsende „Amen – So ist es“, bleibt aber dabei nicht stehen. Denn das letzte Wort ist nicht das des Menschen, sondern ist verborgen im Schweigen Gottes.
Nicht nur das Gotteswort ist darin enthalten, sondern man kann auch das menschliche Amen als hineingenommen in das Schweigen Gottes verstehen.
Am Ende bleibt es offen, ob sich Gott nochmals aus dem Schweigen herausbegeben wird oder ob er darin verharrt bleibt. Letzten Endes bleibt das Schweigen Gottes ambivalent und kann sich nicht durch den Glauben, sondern nur durch Gott selbst vereindeutigen.