Karlheinz Six

Schwarzer Vogel – Teil 2 – Musikalisches

Bild: Schwarzer Vogel - Teil 2 - Musikalisches

Drei Songs, drei Bedeutungen: Vom Freiheitsruf der Beatles bis zur Todessehnsucht bei Ludwig Hirsch – in dieser Folge wird der schwarze Vogel musikalisch. Was sagt sein Gesang über uns aus?

Diesen Podcast mache ich in meiner Freizeit. Wenn du diese Arbeit auch finanziell anerkennen möchtest, dann kannst du mich über ko-fi auf einen Tee einladen oder direkt über Paypal einen kleinen Betrag senden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Transkript

Herzlich Willkommen zur 68. Episode.

Der schwarze Vogel war in der letzten Episode Thema. Genauer gesagt, der schwarze Vogel in der Bibel, in der Kulturgeschichte und in den Märchen. Es hat sich gezeigt, dass er ganz Unterschiedliches symbolisieren kann: Der schwarze Vogel kann den Tod ankündigen. Er kann aber auch im Auftrag Gottes dessen Fürsorge für die Menschen verwirklichen. Zudem kann er der Begleiter des Menschen durch die Dunkelheit sein, die zu Höherem führt. Dem entgegen kann er aber auch Unbarmherzigkeit bestrafen.

Der schwarze Vogel ist also ein beliebtes Motiv, will man eine höhere, transzendente oder übergeordnete Macht darstellen. Er ist auch ein beliebtes Motiv in der Musik. Und darum soll es heute gehen. Ich habe drei Lieder ausgesucht, in denen der schwarze Vogel eine Rolle spielt.

Bevor ich aber darauf eingehe, verweise ich noch auf die vielfältigen Kontaktmöglichkeiten, die du in den Show notes findest. Über eine finanzielle Unterstützung würde ich mich sehr freuen. Damit ersparen wir uns lästige Werbung.

So und jetzt geht’s los.

Das erste Lied heißt „Blackbird“ von den Beatles. Blackbird – zusammengeschrieben – ist die Amsel. Das Lied wurde 1968 nur wenige Wochen nach der Ermordung von Martin Luther King geschrieben. Die Amsel symbolisiert eine afroamerikanische Frau, die Diskriminierungen ausgesetzt ist. Es wird von versunkenen Augen, einem gebrochenen Flügel und der Sehnsucht nach Freiheit gesungen:

Aber nicht nur nach Freiheit, sondern nach dem Aufstehen, dem Sich-Erheben, dem Auftauchen.

Blackbird singing in the dead of night
Take these broken wings and learn to fly
All your life, you were only waiting
For this moment to arise

Amsel, singen mitten in der Nacht
die gebrochenen Flügel nehmen und lernen zu fliegen
das ganze Leben hast du nur gewartet
für diesen Moment, um aufzustehen.

Der schwarze Vogel symbolisiert die geschundene, schwarze Frau, die am Boden liegt, aber nur darauf wartet, sich endlich wieder zu erheben. Der gebrochene Flügel scheint nicht zu heilen. Und dennoch hat der Vogel – in all seiner Gebrochenheit – die Kraft sich zu erheben und in die Lüfte zu schwingen, um frei zu sein.

Paul McCartney gibt an, dass sie absichtlich ein Symbol gewählt haben, damit Menschen ihre eigene Lebensgeschichte, ihre eigenen Gebrochenheiten und Erhebungen einschreiben können. Der schwarze Vogel steht also nicht nur für die afroamerikanische Frau, sondern für jeden Menschen, der am Boden liegt.

Abgesehen von der Originalversion dieses Liedes gibt es zwei weitere, wunderschöne Versionen von Lifeauftritten von Bobby McFerrin und Jon Batiste. Alle Versionen sind auf meiner Webseite zu dieser Folge eingebunden. Link in den Shownotes.

Nun, ein anderes Lied, anderer Sänger, fast gleicher Titel. Der jamaikanische Reggae-Sänger Winston McAnuff hat gemeinsam mit dem französischen Musiker Fixi 2018 das Lied „Black Bird“ aufgenommen. Diesmal schreibt man die Worte nicht zusammen, sondern getrennt. Gemeint ist also nicht die Amsel, sondern ein schwarzer Vogel im Allgemeinen.

Auch dieses Lied arbeitet mit einer Symbolsprache. Und da sich die Musiker nie über die Bedeutung des Textes geäußert haben, ist es zunächst schwierig, eine Deutung vorzunehmen. Dennoch kann man wieder sagen: Symbole eröffnen die Möglichkeit vielfältiger Interpretation, in die man sein eigenes Leben hineintragen kann.

When black bird sing
I keep remembering
That first morning
When my little black bird sang

Wenn der schwarze Vogel singt,
erinnere ich mich immer wieder
an diesen ersten Morgen
wenn mein kleiner schwarzer Vogel sang.

Ich verstehe das so, dass es quasi zwei schwarze Vögel gibt: Den einen hört der Sänger jetzt. Dieser erinnert ihn an einen anderen, an seinen kleinen schwarzen Vogel von früher. Könnte hier ein Kind gemeint sein? Oder etwas, was gerade beginnt zu leben und zu wachsen?

Jedenfalls ist der schwarze Vogel nicht Symbol für etwas Böses, sondern für Freude. Denn wenn der Vogel singt, ist es wie wenn Freudenglocken läuten.

Jedoch wird nicht die schmerzlose Freude besungen. Das Herz ist voll Schmerz, durch das die Sonnenstrahlen durchschimmern. Es regnet violett: Der Himmel und das Herz sind voll Trauer. Der violette Regen – purple rain auf Englisch – steht für eine persönliche Krise oder auch für einen apokalyptischen Moment der Welt.

Lebt der kleine schwarze Vogel noch? Oder musste man ihn loslassen?

Wenn der schwarze Vogel singt, wird das schmerzvolle Herz mit Freude gefüllt, weil man sich an den kleinen schwarze Vogel erinnert, von dem man Abschied nehmen musste.

Ja, das Leben soll man nicht für einen Witz nehmen, singt McAnuff.

In den bisher besprochenen Liedern ist der Schwarze Vogel ein Zeichen der Freude, der Hoffnung, der Freiheit und Sehnsucht, aber immer aus einer schmerzvollen, niederschmetternden Situation heraus. Und dies trifft auch auf das dritte Lied zu, auf das ich nun zu sprechen kommen möchte, nämlich das Lied „Komm, Großer Schwarzer Vogel“ von Ludwig Hirsch aus dem Jahr 1979. Hirsch ist ein Poet unter den österreichischen Sängern, der seinesgleichen sucht.

Im Lied singt Hirsch über die Todessehnsucht eines Menschen. Das lyrische Ich lockt den Schwarzen Vogel an. Es möchte weg von da, weg vom Leiden einer Krankheit.

Und dann fliegen wir
Aufi, mitten in Himmel eini,
In a neuche Zeit,
In a neuche Welt.
Und i werd‘ singen,
I werd′ lachen,
I werd′ „das gibt’s net“, schrei′n,
Weil, i werd‘ auf einmal kapier′n
Worum sich alles dreht.

Ganz leise möchte der Sänger gehen, die anderen nicht aufwecken. Und dann ist er da, der große, schwarze Vogel, ganz lautlos und so schön. Und er nimmt den Sänger mit, der sich im Wegfliegen nochmals von allen verabschiedet.

Auf geht′s,
Mitten in Himmel eini,
Ned traurig sein!
Na, na, ist ka Grund zum Traurigsein!
Weil, i werd‘ singen,
I werd′ lachen,
I werd‘ „des gibt′s net“ schrei’n.
I werd′ endlich kapier’n
I werd‘ glücklich sein!

Hirsch selbst nahm sich 2011 nach einer Lungenkrebs-Diagnose das Leben. Der Schwarze Vogel war sein Begleiter. Er ist der Begleiter des Menschen durch die Dunkelheit hindurch und hinein in das Licht eines neuen Lebens.

Aktueller Blog-Beitrag
„ziellos unterwegs“

Bild: Die drei Heiligen von Assisi - Klara von Assisi

Erst auf dieser Assisi-Reise habe ich Klara ein wenig näher kennen gelernt. Dem vorausgegangen ist ein Seminar über sie im steirischen Haus der Stille. Jetzt erst habe ich verstanden, wie

Weiterlesen »

Aktueller Blog-Beitrag
„Was meinst du?“

Bild: Metaphernpaare der Liebe Gottes

Seit einiger Zeit kaue ich am Text für mein neues Buch herum. Immer wieder starte ich Versuche, kleine Puzzle-Steine zu schreiben. Hier ist ein solcher: Er handelt davon, dass wir

Weiterlesen »