Afrikanischer Jesus - Diakon Karlheinz Six

Diakon Karlheinz Six

Nachfolge unmöglich

Titelbild: Nachfolge unmöglich

„Wir sind in die Nachfolge Jesu berufen.“ So hören wir oft. Die Kirche wird als Nachfolgegemeinschaft bezeichnet. Dass das, so wie wir das heute verstehen, aber biblisch gar nicht möglich ist, wird dabei oft übersehen. Oder, nein, es ist möglich: Doch dann bedeutet es den Tod des Nachfolgenden.

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Transkript

Herzlichen Willkommen zur 24. Episode meines Podcasts „aus&aufbrechen“. Folgst du Jesus nach? Hast du dir eigentlich schon einmal darüber Gedanken gemacht, wie heute Nachfolge Jesu aussehen könnte? Ganze Seminare, Bücher, Exerzitien und was weiß ich widmen sich dieser Frage.

Ich hingegen vertrete die These, dass eine Nachfolge Jesu heute gar nicht mehr möglich ist. Ja, zugegeben; das ist etwas überspitzt. Ich sollte genauer sagen: Dort, wo Nachfolge heute noch möglich ist, bedeutet sie den Tod des Nachfolgenden.

Bevor ich aber genauer darauf eingehe, möchte ich wie immer auf die Kontaktmöglichkeiten und meine Social-Media-Kanäle aufmerksam machen. Du findest sie in den Shownotes. Nachrichten und Kommentare sind immer willkommen. Du darfst mir auch folgen, wenngleich auch das keine Nachfolge ist. In den Shownotes findest du auch den Link zu meiner Webseite, auf der du dich zu meinem Newsletter eintragen kannst.Jetzt aber zum eigentlichen Thema. Viele sind vielleicht überrascht über meine These, dass Nachfolge heute nicht mehr möglich ist. Denn allerorts wird ständig betont, dass wir in die Nachfolge Jesu berufen sind. Wir sprechen von der Kirche als Nachfolgegemeinschaft. Auch das Zölibat der Priester wird unter anderem damit begründet, dass diese dem ehelosen Jesus nachfolgen.

Und jetzt komme ich daher und sage, dass Nachfolge nicht möglich ist. Wie komme ich dazu?

Ich gehe bei meiner These nämlich vom biblischen Befund aus. Diesen möchte ich darstellen und dann wird man wohl meine Sichtweise besser verstehen.

Zentral ist der Nachfolgegedanke vor allem in den Evangelien. Also ist mein erster Schritt, einen kurzen Blick in die Evangelien zu werfen.

Das Markusevangelium

Schauen wir zuerst in das Evangelium nach Markus. Dort geht alles ganz schnell. Jesus geht am Beginn seines öffentlichen Auftretens am See von Galiläa vorbei, sieht Simon und Andreas, ruft sie in die Nachfolge und die beiden gehen mit. Ein Stück weiter sieht er die Brüder Johannes und Jakobus, ruft sie in die Nachfolge und auch diese beiden gehen sofort mit.

Dieses Mitgehen bedeutet Mitgehen im wörtlichen Sinn. Jesus ist ein Wanderprediger, zieht von einem Dorf in Galiläa zum anderen und verkündet das Nahen des Reiches Gottes. Diese vier Jünger und mit der Zeit viele weitere Jünger und Jüngerinnen gehen mit ihm mit.

Zu unterschiedlichen Zeitpunkten trifft Jesus auch auf zwei Blinde. Beide werden bei der Begegnung mit Jesus sehend. Den einen aber schickt er wieder in sein Dorf, wo er herkommt. Der andere folgt ihm nach.

Hier zeichnet sich schon der wesentliche Kern von Nachfolge nach dem Verständnis des Markus ab: Nachfolge bedeutet das Mitgehen auf dem Weg Jesu, wie er durch die Lande zieht. Daraus folgt jetzt aber auch: Wenn Jesus tot ist, kann es in diesem Sinn keine Nachfolge mehr geben. Als toter kann er schwer als Wanderprediger durch die Lande ziehen.

Natürlich kommt sofort der Einwand: „Nachfolge ist ja heute nicht mehr im wörtlichen Sinn zu verstehen, sondern im übertragenen.“ Jetzt kann man viel überlegen, was Nachfolge im übertragenen Sinn meint. Ich möchte mich da aber eher an die Bibel halten. Und da nehme ich zwei Hinweise auf:

Wenn bei Markus von dem einen Blinden gesagt wird, er folge Jesus nach, dann ist gemeint, dass er ihm in den Tod nachfolgt. Denn die blinden Jünger, die zwar mitgegangen sind, aber nicht sehend wurden, haben sich davongemacht und ihn verleugnet. Aber zu hart wollen wir nicht sein: Was hätten wir damals gemacht?

Hier deutet sich schon an: Im übertragenen Sinn bedeutet Nachfolge, dass der*die Nachfolgende für den Glauben in den Tod geht.
Wenn wir alle in die Nachfolge berufen sind und Nachfolge nicht einfach das buchstäbliche Mitgehen mit Jesus ist, dann müsste es ja auch durch den auferstandenen Jesus einen Aufruf zur Nachfolge gegeben haben. Aber da kommen wir bei Markus nicht weiter, weil er keine Auferstehungserzählung bietet. Bei ihm tritt Jesus nicht als Auferstandener auf, sondern das Evangelium endet mit der Entdeckung des leeren Grabes durch die Frauen. Diese erhalten von einem jungen Mann die Anweisung, den Jüngern auszurichten, sie sollen nach Galiläa gehen, um dort Jesus zu sehen. Das kann jedoch nicht als Nachfolge-Aufruf gesehen werden. Und wenn doch, dann würde er einfach bedeuten, dass wir nach Galiläa gehen sollen, hat aber nichts mit einer bestimmten Lebensweise zu tun.

Das Matthäus- und Lukasevanglium

Aber vielleicht werden wir bei Matthäus und Lukas fündig. Wenn diese beiden Nachfolge wörtlich meinen, also im Sinn von Mit-Jesus-Mitgehen, dann dürfte es nach seinem Tod keinen weiteren Aufruf zur Nachfolge geben. Und tatsächlich ist das auch so.

Wie bei Markus sollen auch bei Matthäus die Frauen den Jüngern ausrichten, dass sie nach der Entdeckung des leeren Grabes nach Galiläa gehen sollen. Dort wird Jesus erscheinen. Das geschieht dann auch. Die versammelten Jünger*innen werden aber nicht in die Nachfolge gerufen, sondern im Gegenteil: hinausgeschickt. Wörtlich heißt es:

„Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern und Jüngerinnen; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ (Mt 28,19)

Sobald Jesus also tot ist, gilt es in die Welt zu gehen und jene Verkündigung fortzusetzen, die Jesus begonnen hat. Nachfolge – weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinn – ist hier noch Thema. Nach Matthäus ist also Kirche keine Nachfolgegemeinschaft, sondern eine Gemeinschaft von Gesandten.

Schauen wir, wie es sich bei Lukas verhält: Im Gegensatz zu Markus und Matthäus ist für Lukas Jerusalem der zentrale Ort der Rettung, nicht Galiläa. Daher gibt es auch keine Aufforderung an die Jünger*innen nach Galiläa zu gehen. In den Auferstehungserzählungen geht es Lukas in erster Linie darum, Tod und Auferstehung theologisch richtig zu deuten. Nur in einem kurzen Satz kommt die zukünftige Rolle der Jünger*innen zur Sprache:

Er sagte zu ihnen: So steht es geschrieben: Der Christus wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen und in seinem Namen wird man allen Völkern Umkehr verkünden, damit ihre Sünden vergeben werden. Angefangen in Jerusalem, seid ihr Zeugen dafür.

Interessant ist, dass nicht gesagt wird, wer den Völkern Umkehr verkündet, sondern nur, dass es geschehen wird. Den Jünger*innen in Jerusalem kommt die Aufgabe zu, Zeugen für all das zu sein. Auch hier gibt es keinen Nachfolge-Ruf, sondern einen Zeugen-Auftrag.

Wenn es um Lukas geht, dann müssen wir immer auch in die Apostelgeschichte schauen, denn diese wurde von selben Autor geschrieben. Dort wird im ersten Kapitel nochmals wiederholt, dass die Jünger*innen Zeugen*innen sein werden. Dabei wird hinzugefügt, dass sie das bis an die Enden der Erde sein werden. Zusätzlich wird ihnen gesagt, dass sie mit dem Heiligen Geist taufen werden.

Auch hier fehlt also ein erneuter Aufruf in die Nachfolge. Kirche wird hier als Gemeinschaft von Zeugen gedacht.

Damit ist auch etwas anderes Wichtiges angedeutet, nämlich die Gerichtssituation. Zeugen legen vor Gericht ihr Zeugnis ab. In den Bibel wird das aber auch im weiteren Sinn verstanden, denn auch der Angeklagte kann Zeugnis über den Glauben ablegen. So ist der christliche Zeuge der verfolgte Angeklagte, der mit dem Tod bedroht ist. Und genau von diesen Verfolgungen berichtet die Apostelgeschichte.

Das Johannesevangelium

Das bringt mich nun zum Johannesevangelium. Dort gibt es tatsächlich einen Aufruf zur Nachfolge durch den auferstandenen Jesus. Aber der Reihe nach.

Der erste Auftrag des Auferstandenen, der an die Jünger*innen ergeht, lautet wie folgt:

Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.

Neben dieser direkten Anweisung sehen wir noch indirekte Hinweise auf die Verkündigungstätigkeit der Jünger*innen. So wird Maria Magdalena geschickt zu verkünden, dass sie den Herrn gesehen hat. Gleiches verkünden die Jünger*innen dem Thomas, der bei der zweiten Erscheinung des Auferstandenen nicht dabei war.

Im angehängten 21. Kapitel, dass ursprünglich nicht aus der Feder desselben Autors stammt wie der Rest des Evangeliums, findet sich nun eine sehr interessante Stelle. Ich möchte sie als Ganzes vorlesen. Jesus sagt da zu Petrus:

Amen, amen, ich sage dir: Als du jünger warst, hast du dich selbst gegürtet und gingst, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst. Das sagte Jesus, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott verherrlichen werde. Nach diesen Worten sagte er zu ihm: Folge mir nach!

Es geht in diesem Kapitel schwerpunktmäßig um Petrus und dann auch um den Jünger, den Jesus liebte. Darüber werde ich in den Episoden 29 und 30 mehr erzählen, die im September erscheinen werden. Ich bleibe jetzt ganz bei Petrus.

Dieser erhält vor der obigen Bibelstelle von Jesus den Auftrag, seine Schafe zu weiden. Damit soll seine leitende Vorrangstellung zum Ausdruck gebracht werden. Und dann folgen die Verheißungsworte an Petrus: Er wird von einem anderen geführt werden. In der Doppeldeutigkeit des Johannesevangelium meint das, dass Petrus sowohl von Soldaten als auch von Gott geführt wird. Das heißt: Er wird verhaftet und vor Gericht gestellt werden. Er wird verurteilt werden und die Todesstrafe wird an ihm vollstreckt werden.

Wenn hier Jesus Petrus zur Nachfolge aufruft, dann meint das in diesem Zusammenhang kein Mitgehen auf dem Weg, kein Jesus Ähnlichmachen des eigenen Lebens, sondern das Gehen in den Märtyrertod.

Der Text ist mehr Verheißung als Anweisung und betrifft auch nur den Petrus. Übrigens spricht Jesus schon im 13. Kapitel über den Tod des Petrus im Sinne einer Nachfolge.

Abschluss

Ich mache also eine kurze Zwischenbilanz: In den Evangelien Markus, Matthäus und Lukas bedeutet Nachfolge das buchstäbliche Mitgehen mit Jesu, während er von Dort zu Dorf zog. Daher gibt es nach dem Tod Jesu keine Aufforderung mehr, ihm nachzufolgen. Vielmehr sollen wir Gesandte und Zeugen seiner Botschaft sein.

Was sich schon bei Markus andeutet, wird bei Johannes deutlich: Im übertragenen Sinn mein Nachfolge in der Bibel wie Jesus in den Tod, den Märtyrertod zu gehen.

Das Zölibat im Sinne der Nachfolge zu deuten, ist daher unbiblisch. Viel eher sollte man hier nicht von Nachfolge, sondern von Nachahmung sprechen. Damit würde man auch mehr dem entsprechen, wozu das restliche Neue Testament motivieren will.

Wenn Jesus zu Lebzeiten zur Nachfolge aufruft, dann scharrt er sich so einen Jünger*innen-Kreis um sich. Anders als die jüdischen Rabbis sucht er sich seine Schüler*innen nämlich aus. Die Rabbis wurden hingegen von den Schülern ausgesucht. Dabei gilt es, sie in einer bestimmten Lehre zu unterweisen, damit sie später diese Lehre weiterverbreiten und bezeugen können. Was im Konkreten bedeutet, dass sie dafür getötet werden können. Aus der Nachfolge Jesu wird nach seinem Tod also die Nachahmung. Nur in der Beachtung seiner Lehre und der Nachahmung können wir glaubwürdige Zeugen sein.

Die zölibatäre Lebensform ist dabei nur eine Weise der Nachahmung. Priester und andere ehelos lebenden Menschen stellen hier keinen exklusiven Anspruch.

Was nun Nachahmung konkret meint, inwiefern wir alle oder nur einige zur ganzen oder teilweisen Nachahmung berufen sind, das kann in dieser Episode nicht mehr behandelt werden. Deutlich sollte nur werden, dass die Rede von der Nachfolge im biblischen Sinn heute nicht mehr möglich ist – außer wir sterben den Märtyrertod.

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