Afrikanischer Jesus - Diakon Karlheinz Six

Diakon Karlheinz Six

Beichte abschaffen

Titelbild: Beichte abschaffen

Die Beichte ist wohl das unbeliebteste Sakrament. Warum also die Beichte nicht abschaffen und durch etwas anderes ersetzen? Im Gegensatz zu vielen Priestern und Gläubigen plädige ich tatsächlich dafür, die Beichte abzuschaffen. Und das aus guten Gründen.

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2 Antworten

  1. Mutiger Titel, doch wenn ich alles deiner Podcast-Folge anhöre, dann kann ich deiner Anregung zur Beichte viel abgewinnen!
    Der Reue-& Versöhnungsprozess mit Gott ist entscheidend und die Aufwertung des gemeinsamen Bußgottesdienstes zu einer Form des Beichtortes und zu einem Sakramentes wäre ein gute Alternative zu heutigen (nicht) gelebten Beichtsakramentes, auch aus meiner persönlichen Sicht. Danke für die Überlegungen und auch deine abschließenden Worte über Reue und Versöhnung!

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Transkript

Herzlich Willkommen zur 32. Folge meines Podcasts „aus&aufbrechen“. Die Beichte ist wohl das unbeliebteste Sakrament in der katholischen Kirche. Kircheferne Menschen bringen ihre Kinder zur Taufe und Firmung und sie heiraten kirchlich. Aber zur Beichte geht auch ein Großteil der kirchlich engagierten und gläubigen Menschen nicht.

So ist es kein Wunder, wenn viele Priester immer wieder für die Beichte Werbung machen und diese als besonders wichtig herausstellen.

Wie der Titel dieser Episode schon andeutet, werde ich allerdings nicht in dasselbe Horn stoßen, sondern vielmehr für das Gegenteil plädieren, nämlich für die Abschaffung der Beichte.

Ich gebe zu: Meine Ausgangsthese ist nicht ganz exakt formuliert. Was ich eigentlich vertrete, ist die Ansicht, die Beichte als Ort des Sakramentes abzuschaffen. Im Folgenden möchte erklären, was ich damit meine. Folgendermaßen möchte ich vorgehen: Ich werde zuerst meine Idee zur Erneuerung des Sakramentes der Versöhnung vorstellen, dann eine Begründung dafür geben und schließlich noch ein paar Bemerkungen dazu machen.

Erneuerung des Sakramentes der Versöhnung

Für uns Heutige gibt es zwischen dem Sakrament der Versöhnung und der Beichte, die man auch als Ohrenbeichte bezeichnet, keinen Unterschied. Es muss aber unterschieden werden: Das eine ist das Sakrament, d. h. der Inhalt des Sakramentes – in diesem Fall die Versöhnung, die Umkehr; das andere ist der Ort bzw. die Form, wie ein Sakrament gespendet wird. Und das ist derzeit die Beichte.

Im Sakrament der Versöhnung geht es im Kern um die eigene Umkehr, um die Abkehr von dem, was ich nicht richtig mache und um die Versöhnung mit mir, meinen Mitmenschen und Gott. Im Sakrament wird mir zugesagt, dass meine schlechte Taten nicht das letzte Wort haben werden, sondern die Versöhnung. Das ist jetzt nur eine Kurzformel, sollte aber fürs erste genügen.

Der Ort bzw. die Form des Sakramentes ist die Beichte. D. h. ein Mensch setzt sich mit einem Priester zusammen und benennt vor diesem alle seine schlechten Taten.

Die katholische Kirche hat die Regelung getroffen, dass der*diejenige, der*die zur Beichte geht, auch das Sakrament der Versöhnung empfängt. Eine andere Form, dieses Sakrament zu empfangen ist heute nicht vorgesehen.

Und genau hier setzt mein Vorschlag an:

Um es klar zu sagen: Ich bin nicht für die Abschaffung des Sakramentes der Versöhnung. Ich bin auch nicht gegen die persönliche Aussprache zwischen Priestern und Gläubigen.

Ich schlage viel eher vor, dass für das Sakrament der Versöhnung eine neue Form, ein neuer Ort gefunden wird. Mit anderen Worten, da jedes Sakrament immer Gottesdienst, Liturgie ist – auch die jetzige Form der Ohrenbeichte ist ein Gottesdienst: so bin ich dafür, dass das Sakrament der Versöhnung eine neue liturgische Form erhält. Die persönliche Aussprache mit einem Priester kann bleiben, sollte aber nicht mehr als Sakrament gelten.

Das ist eigentlich kein spektakulärer Vorschlag, weil andere Konfessionen ähnliches schon lange umgesetzt haben. Aber es würde jetzt zu weit führen, das genauer zu beleuchten.

Die Begründung

Die erste Frage, die wohl auftaucht, ist die, ob die Kirche überhaupt das Recht hat, ein Sakrament einfach mir nichts, dir nichts zu verändern. Denn das kirchliche Lehramt argumentiert sehr oft mit der Vollmacht und sagt dann, die Kirche habe keine Vollmacht, dieses oder jenes zu ändern, denn der Herr Jesus hätte das uns so aufgetragen. Wer in die Bibel schaut, wird jedoch sehen, dass es da überhaupt keine Vorgabe Jesu gibt, wie ein solches Sakrament gestaltet sein soll. Und wer in die Kirchengeschichte schaut, wird sehen, dass es immer wieder Neuregelungen der Sakramente gegeben hat. Wer also der Kirche die Vollmacht abspricht, Sakramente zu ändern, ist biblisch und kirchengeschichtlich blind.

Dies zeigt sich besonders beim Sakrament der Versöhnung. Jesus hat uns den Versöhnungsdienst aufgetragen, hat uns aufgetragen, in Frieden mit den Mitmenschen und uns selbst zu leben, hat uns aufgetragen, ein gottgefälliges Leben zu führen. Aber er hat uns nicht aufgetragen, die Beichte zu hören.

Zur Versöhnung gehört auch, dass wer gegen diesen Auftrag Jesu verstößt, wer also sündigt, seine Taten bereut und eine Ausgleichshandlung vollzieht. Diese Ausgleichshandlung nennt man Buße. Reue und Buße sind also wesentliche Elemente im Prozess der Wiederversöhnung. Dieser Prozess ist daher nicht nur ein liturgischer, also gottesdienstlicher, sondern auch ein emotionaler und ganz praktischer.

Ich konzentriere mich aber in dieser Episode auf den liturgischen Aspekt. Und hier zeigt die Geschichte dieses Sakramentes, dass die Kirche immer wieder die liturgische Form geändert hat.

Hier nur ein paar Blitzlichter auf die Geschichte:

Ganz am Anfang hatte der Versöhnungsprozess mindestens ein Merkmal, dass sich von der heutigen Form des Sakramentes wesentlich unterscheidet: Die Versöhnung mit der Gemeinde wurde nur einmal gewährt.

Wer ein schwere Sünde begangen hat, wurde zunächst aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Das nennt man Exkommunikation. Solche schweren Sünden waren z. B. Mord, Ehebruch oder Glaubensabfall. Vor allem letzteres muss hervorgehoben werden: Es gab immer wieder Christen, die in Zeiten der Christenverfolgung aus Angst vor dem Tod von ihrem Glauben abgeschworen haben. Dies brachte oft die anderen Mitchristen in große Gefahr.

Es gab große Diskussionen, ob gerade diese Menschen wieder in die Gemeinschaft aufgenommen werden dürften. Schließlich entschied man, dass eine einmalige Rückkehr möglich sein soll.

Dazu wurden dem Sünder bzw. der Sünderin eine bestimmte Bußzeit auferlegt, nach der er bzw. sie wieder in die Gemeinschaft aufgenommen wurde. Für die Bußzeit, die auch mehrere Jahre dauern konnte, wurden Übungen auferlegt, die in der Öffentlichkeit sichtbar waren.

Das heißt, das Sakrament der Versöhnung bedeutete die Wiedereingliederung eines Christen, der andere Christen in große Gefahr gebacht hatte. Das Sakrament war öffentlich, nicht im Geheimen, die Buße ging der vollen Wiedereingliederung voran und es wurde nur einmal gewährt.

Im Laufe der Jahrhunderte wurden aber die Übungen für die Bußzeit immer strenger und rigoroser, sodass die meisten die Bußübungen ans Lebensende schoben.

Parallel zu dieser Entwicklung entstand das, was wir heute Ohrenbeichte nennen können. Wandermönche aus Irland und Schottland beeinflussten eine ganz andere Praxis: Die Sünder*innen kamen im Geheimen zu den Mönchen, beichteten ihre Sünden und erhielten sofort eine Lossprechung. Die Bußübungen erfolgten im Nachhinein und waren ebenso geheim. Durch diese Praxis wird der Beichtvater bzw. Priester immer wichtiger, während die Versöhnung mit der Gemeinde völlig in den Hintergrund tritt.

Wir sehen, wie diese Praxis der heutigen Ohrenbeichte gleicht. Allerdings war die Kirche damals gegenüber dieser Praxis alles andere als aufgeschlossen. Im Jahr 589 verurteilte die Synode von Toledo diese Vorgehensweise als „fluchwürdige Anmaßung“. Später wurde sie dann im Kontrast dazu vorgeschrieben, ja bis heute als einzige Form des Sakramentes definiert. So funktioniert Kirche: Was zuerst verboten wurde, wird später Vorschrift.

Einen Aspekt aus der Geschichte möchte ich noch hervorheben: Ging es am Anfang noch um sehr schwere Vergehen gegen die Gemeinschaft, die im wahrsten Sinn um ihr Überlegen kämpfen musste, hat sich mit der Zeit ein regelrechter Katalog von Sündenregistern entwickelt. Diese Sündenregister wurden dann in so genannten Beichtspiegel festgehalten. Das meint eine ganze Reihe von Fragen, die sich ein Christ, eine Christin zur Vorbereitung auf die Beichte stellen kann. Er bzw. sie wird sich so seiner Sünden bewusst.

Positiv an dieser Entwicklung ist, dass bewusst werden soll, dass Sünde nicht erst in der Tat entsteht, sondern schon in Gedanken beginnt. Der Mensch wird ganzheitlicher gesehen. Das hat uns Jesu in der Bergpredigt eingeschärft. Abzulehnen ist aber das Gottesbild, dass dahinter steht: Es ist ein akribischer, kleinlicher Buchhaltergott, der am Schreibtisch sitzt und jedes noch so kleine Sündelein in sein großes, dickes Buch schreibt. Wer kann vor einem solchen Gott bestehen? Und ist das wirklich der Gott Jesu? Während die Großen der Welt sich reuelos die Taschen vollstopfen und viele Menschen auf der Strecke bleiben, während kirchliche Leitungsorgane zugesehen haben, wie Kinder geschunden werden, sollen Christ*innen in den Beichtstuhl, weil sie einmal das Abendgebet vergaßen oder unsittliche Gedanken hatten?

Wir sehen also, dass sich das Sakrament der Versöhnung im Laufe der Geschichte verändert hat. Ich möchte nochmals betonen, dass die Kirche durchaus die Vollmacht, die Form des Sakramentes zu verändern. Ich habe aber noch keinen Grund genannt, warum ich für eine Veränderung bin. Drei möchte ich nennen:

1. Der wichtigste Grund ist für mich, dass die Beichte in der heutigen Form, nicht nur der Ort des Sakramentes ist, sondern auch der Ort potenzieller Übergriffe. Sexualisierte und spirituelle Gewalt, grenzüberschreitender Machtmissbrauch wird hier sehr leicht ermöglicht. Immer wieder weist P. Franziskus darauf hin, dass der Beichtstuhl keine Folterkammer sein soll. Er wird es wohl deshalb so oft betonen, weil die Beichte tatsächlich viel zu oft wie eine Folter praktiziert wird. Wenn die Kirche es mit der Gewaltprävention ernst nimmt, dann muss sie auch hier an einer Veränderung arbeiten. Sie muss all jene Räume entfernen, wo Gewaltausübung leicht möglich ist.

2. Ich frage mich zudem, wozu man einem Priester sagen muss, was man falsch gemacht hat? Wozu muss er es wissen? Sicherlich könnte man hier mit einem psychologischen Effekt argumentieren: Wer seine Sünden ausspricht, der kann sie auch nicht verdrängen, der stellt sich ihnen und kann daran arbeiten, sie in Zukunft zu unterlassen. Mag alles sein. Aber dieser psychologische Effekt ist nicht der Sinn der Beichte und Priester sollen keine Hobbypsychologen sein. Theologisch gilt, dass es letztlich eine Sache zwischen mir und Gott ist. Er wird beurteilen, wie sehr ich mich meiner Fehler stelle, ob meine Reue echt und meine Buße angemessen ist. Der Priester kann dabei weiterhin Vermittler zwischen mir und Gott sein (das ist jetzt ein anderes Thema), aber als solcher muss er nicht alles wissen. Er weiß ja auch nichts von mir, wenn ich zum Beispiel zur Kommunion gehe.

3. Ein wesentlicher Kern jedes Sakramentes ist sein öffentlicher Charakter. Auch wenn Taufe und Hochzeit heute vor allem als Familienfeiern gelten, sind es in den Augen der Kirche öffentliche Feiern, Feiern der ganzen Gemeinde. Nur die Beichte ist es nicht. Da muss alles im Geheimen stattfinden. Damit stellt sich also theologisch die Frage, ob die Beichte dem Sakrament wirklich angemessen ist.

Noch ein paar Bemerkungen

Ich stelle mir also vor, dass wir das Sakrament der Versöhnung wieder in Gemeinschaft feiern. Das bedeutet nicht, dass ich meine Sünden öffentlich bekennen muss. Ich möchte nicht zurück zur altkirchlichen Praxis. Aber mit entsprechender Vorbereitung können eigene Versöhnungsgottesdienste gefeiert werden, die entsprechende Elemente beinhalten wie z. B.: eine Zeit des Schweigens und der Meditation zur Reflexion auf meine Fehler und schlechten Taten, motivierende Elemente, die anspornen sollen, an seinen Fehlern zu arbeiten, aber auch den Menschen das Aushalten lehren, dass man immer wieder die gleichen Fehler macht und man glaubt, nicht recht weiter zu kommen. Man könnte einzelne Rituale implementieren, die Reue und Buße symbolisch zum Ausdruck bringen. Denn wie schon oben gesagt: Der wirkliche Versöhnungsprozess beschränkt sich nicht auf den Gottesdienst.

Solche Versöhnungsgottesdienste in Gemeinschaft können auch wieder zeigen, dass jede Sünde Auswirkungen auf die Gemeinschaft hat, dass es auch um Wiederveinigung mit der Gemeinschaft geht. Dieses Bewusstsein ist heute fast völlig aus dem Blick geraten.

Wie schon gesagt: Der Priester als Vermittlungsperson kann bleiben, denn er steht dem Gottesdienst vor und kann entsprechend dann die Lossprechung aussprechen. Dazu muss er nicht wissen, was der einzelne getan hat.

Versöhnung auf die Beichte zu beschränken, ist ein großes Defizit. Die Kirche selbst hat dieses Defizit schon lange erkannt und in den 1970er Jahren ein neues liturgisches Buch herausgegeben, in dem drei verschiedene Gottesdienstformen vorgegeben werden. Sie nennt sie Bußgottesdienste und sie meint, dass mehrmals im Jahr solche Gottesdienste gefeiert werden sollen. In der kirchliche Praxis nehme ich davon so gut wie nichts wahr. Außerdem hält die Kirche trotz der Einführung dieser Gottesdienste daran fest, dass der Ort des Sakramentes allein die Beichte ist. Die anderen Gottesdienstformen haben keinen sakramentalen Charakter. Ich hingegen denke: Wenn die Kirche aber schon andere Formen von Bußgottesdiensten eingeführt hat, wäre es doch wohl ein leichtes, den sakramentalen Ort zu verändern.

Was ich in dieser Episode nicht leisten konnte, ist ein vertiefender Blick auf das, was Versöhnung und Umkehr meint. Vielleicht mache ich dazu auch einmal einen andere Folge. Unsere Zeit ist einerseits von der Botschaft geprägt „Bleibe wie du bist. So, wie du bist, bist du ok.“ Andererseits sehen wir die Bösartigkeit und Gewalttätigkeit der Menschen in der ganzen medialen Breite. Soll der Mensch, soll ich wirklich so bleiben, wie ich bin? Nein, ich möchte keine anderen Menschen verletzen, die Armen nicht ignorieren, mich nicht vom Schicksal der anderen betreffen lassen, und an der Zerstörung der Welt beteiligen. Ich möchte es nicht. Und doch tue ich es. Es nicht mehr zu tun, erfordert meine Umkehr, das Gehen eines neuen Weges. Daran muss ich arbeiten.

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