Vier Folgen habe ich zu den biblischen Vorstellungen vom Ort am Ende der Zeit gemacht. Und jetzt beschleicht mich ein ungutes Gefühl: Was soll das eigentlich sein: das Letzte?
Hier zur Podcast-Episode „Das Ende der Welt“.
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Transkript
Herzlich Willkommen zur 57. Episode.
Ich habe im Advent vier Folgen gemacht, die sich mit Metaphern beschäftigen, die für die Bibel eine wichtige Rolle spielen, wenn es um das Ende der Welt bzw. das Ende der Zeit geht.
Je länger ich mich damit beschäftigt habe, desto größer ist ein ungutes Gefühl bei mir geworden. Irgendetwas hat mir bei all dem nicht gefallen.
Ich habe zuerst vom Garten gesprochen, der ja ganz am Anfang der Bibel steht. Nur im alttestamentlichen Buch Hoheslied wird er dann auch zum letzten Ort am Ende der Zeit.
Dann bin ich in die Wüste gegangen. Sie ist ein Ort des Überganges, ein Ort der Zuflucht und Sicherheit, aber auch des harten Überlebens und der Vorbereitung. Die Wüste ist nicht das Ende.
Danach bin ich auf einen Berg gestiegen. Er ist der Ort der Gottesbegegnung, der Ort, an dem Gott seine Weisungen gibt und von dem er sein Heil kommen lässt. Der letzte Ort ist ohne den Berg nicht zu denken.
Schließlich bin ich in der Stadt gelandet. Sie ist für die Christen jener letzte Ort, in dem alle Menschen Schutz und Sicherheit haben werden und an dem sie unmittelbar mit Gott leben werden. Diese Stadt ist ohne den Berg nicht denkbar.
Mein ungutes Gefühl dabei? Darum soll es in der heutigen Folge gehen. Ich warne gleich von Beginn an. Ich werde mehr Fragen stellen, als Antworten geben. Es sind Fragen, die ich mir selber stelle und auf die ich noch keine letzte Antworten gefunden habe.
Bevor es aber losgeht, möchte ich mich bei allen treuen Hörerinnen und Hörern bedanken. Es freut mich, wenn ihr meine Folgen mit eurem Netzwerk teilt, sodass sie auch andere hören können. Nachrichten von euch und Kommentare auf meiner Webseite lese ich immer gern. Ganz herzliches Danke an all jene, die mich über ko-fi oder PayPal auch finanziell unterstützen. Das hilft mir, meine Online-Angebote nicht durch lästige Werbung finanzieren zu müssen.
– Und jetzt geht’s los.
Ich habe ja schon einmal eine Folge zu diesem Thema gemacht. Das ist jetzt zwei Jahre her. Es ist die 5. Folge und sie heißt „Das Ende der Zeit“. Ich verlinke sie in den Shownotes.
Für die jetzige Episode habe ich mir die alte nochmals angehört und so ganz zufrieden bin ich mit dieser nicht mehr. Aber ich glaube, wenn ich mir die jetzige Folge in zwei Jahren anhören werden, werde ich auch nicht mehr so ganz zufrieden sein.
Naja, egal.
Ich beginne mit folgender Einstiegsfrage:
Ich habe die ganze Advent-Serie hindurch von einem letzten Ort gesprochen. Was aber soll das Wort „letzter“ bedeuten? Wie soll man sich einen solchen Ort als letzten vorstellen?
Und hier sind wir schon im Zentrum meines unguten Gefühles.
Zur Erläuterung:
Das Volk Israel lebte und lebt teilweise bis heute in der Erwartung, dass es zu einer Zeit kommen wird, in der Gott endgültig Friede und Gerechtigkeit herstellen wird. Eine – und ich betone eine – alttestamentliche Vorstellung war, dass das durch eine Person geschehen wird. Diese Person wird Messias oder Christus genannt. Einige von denen, die Jesus gefolgt sind, haben dann gemeint, dass dieser Jesus der Messias bzw. der Christus sei. Er ist aber wieder verschwunden und wir leben immer noch nicht in einer solchen Welt voller Friede und Gerechtigkeit. Oder wie es die Bibel nennt, im Reich Gottes.
Was meint der christliche Glaube dazu, dass Jesus der Christus sein soll, aber wieder verschwunden ist?
Kurz gesagt: Mit Jesus sei das Reich Gottes angebrochen, aber es sei noch nicht vollendet.
Oder mit anderen Worten dasselbe: Mit Jesus sei das Ende der Zeit angebrochen, aber das Ende sei noch nicht vollendet.
Daher warten Christen auf das Wiederkommen Jesu Christi. Dann wird das Reich Gottes vollendet werden.
Die ersten Christen – wie zum Beispiel Paulus – dachten, dass es demnächst – also noch zu deren Lebzeiten – zur Wiederkunft Christi kommen werde. Aber schon die Evangelien, die wenige Jahrzehnte nach den Briefen des Paulus geschrieben wurden, mussten sich dem Problem stellen, dass es mit dem Reich Gottes so schnell nix wird.
Damit begann die Unterscheidung zwischen „begonnen“ und „vollendet“: Das Reich Gottes hat mit Jesus begonnen, ist aber noch nicht vollendet. Wir leben also jetzt schon im begonnenen Reich Gottes.
Soweit so gut.
Nun kann man schier unendlich viele Fragen stellen. Zum Beispiel, warum Jesus so lange zögert und viele Menschen an Hass, Krieg und Ungerechtigkeit leiden lässt? Durchaus eine berechtigte Frage. Ich möchte mich aber einer anderen Frage widmen, die vielleicht etwas theoretischer ist.
Die christliche Vorstellung, wie ich sie oben geschildert habe, scheint vorauszusetzen, dass die Welt, die Zeit bzw. die Geschichte einmal ein Ende haben wird.
Gleichzeitig leben wir in der Neuzeit aber mit der Vorstellung, dass die menschliche Geschichte einfach immer weiter geht. Und naturwissenschaftlich wissen wir, dass irgendwann der Mensch zwar nicht mehr existieren wird, dafür aber die Natur wahrscheinlich in Form von staubigen und verbrannten Planeten weiter besteht.
Wie passen also diese beiden Vorstellungen zusammen? Die Vorstellung, dass die Geschichte einmal ein Ende haben wird, mit der Vorstellung des unendlichen Laufes der Zeit?
Ein traditioneller Antwortversuch ist, dieses Reich Gottes in das Jenseits zu verlagern. D. h. hier auf der Erde läuft die Geschichte einfach weiter, aber dann nach unserem Tod, werden wir in das Reich Gottes eingehen.
Diese Vorstellung behinhaltet also eigentlich zwei Ideen:
1. Das Reich Gottes ist im Jenseits.
2. Jeder Mensch geht genau dann in das Reich Gottes ein, wenn er stirbt. Hier fokussiert man ganz auf den Einzelnen, auf das Individuum, da die Menschen ja zu unterschiedlichen Zeitpunkten sterben.
So ließe sich das oben geschilderte Problem lösen.
Nur. Man handelt sich ein neues Problem ein: Das ist eine ganz und gar unbiblische Vorstellung, auch wenn sie im Christentum weit verbreitet ist. Zwei Punkte möchte ich dazu herausstreichen:
1. Wenn Jesus vom Reich Gottes spricht, – und nicht nur Jesus, sondern auch das Alte Testament -, dann geht es um Gerechtigkeit hier und heute für jene Menschen, die leiden, die ausgebeutet, die unterdrückt werden usw. Jesus geht es nicht um das Aufschieben des Reiches in das Jenseits, sondern um Gerechtigkeit im Diesseits.
2. Daher geht es auch nicht einfach um das Heil eines Einzelnen. Menschen stehen in Beziehungen zueinander. Daher geht es um heilsame und geheilte Beziehungen, um ein heilsames Zusammenleben der Menschen. Um die Befreiung der Unterdrückten, die Versorgung der Armen, die Wiedergutmachung von Ausgebeuteten. Und daher spricht die Bibel ja auch vom „Volk Gottes“, und meint damit keine Einzelperson, sondern immer eine Gemeinschaft.
Bleiben wir also biblisch, haben wir wieder das Problem von vorhin – wie sollen wir Ende und Endlosigkeit der Geschichte zusammendenken?
Können wir wirklich glauben, dass einmal Gott vom Himmel kommen wird, den ungerechten Herrschern dieser Welt einmal ordentlich in den A… treten und dann seine eigene Herrschaft errichten wird?
Also, ich tue mir ehrlich gesagt schwer mit dieser Vorstellung. Und außerdem halte ich sie nicht für kompatibel mit dem, wie wir heute die Schöpfungsberichte verstehen.
Jetzt werdet ihr fragen: Was soll das mit der Schöpfung zu tun haben?
Um das zu beantworten, muss ich also einen Umweg zur Schöpfungsgeschichte machen: Ihr kennt sicher das erste Kapitel der Bibel, in dem Gott in sechs Tagen die Welt erschafft. Anschließend folgt dann im 2. Kapitel die Erzählung vom Garten Eden.
Wir gehen heute davon aus, dass diese Erzählungen nicht als Tatsachenberichte zu verstehen sind. Es geht der Bibel hier nicht darum, naturwissenschaftliche Thesen aufzustellen. Vielmehr geht es darum, in einer Erzählung darzulegen, wie Gott, Mensch und Welt zueinander stehen. Heute wird der Schöpfungsbericht auch als politsche Erzählung gedeutet: Da geht es um die Gleichrangigkeit der Geschlechter, um die Zuordnung des Menschen zu Tieren und Pflanzen und um die Beziehung zwischen Mensch und Gott. Diese Geschichten konkurrieren also nicht mit der Naturwissenschaft, sondern sprechen auf einer anderen Ebene. Sie wollen die Grundlagen der Welt aus Sicht des jüdisch-christlichen Glaubens verdeutlichen. Dabei legt die Bibel wert darauf, diese Beziehungen nicht zu idealisieren, sondern sie real und nüchtern in den Blick zu nehmen. Wir wissen ja, was alles nach dem ersten Biss in die verbotene Frucht geschieht.
Das sollen nur ein paar wenige Andeutungen sein. Wichtig ist aber: Die Ebene der biblischen Erzählung ist eine andere als die der Naturwissenschaft.
Wenn wir diesen Zugang zur Schöpfungserzählung nun umlegen auf die Erzählungen über das Ende der Zeit, dann bedeutet das folgendes: Die Erzählungen vom Ende wollen nicht auf der Ebene der Natur- oder Geschichtswissenschaft sprechen, sondern auf einer anderen Ebene.
Aber auf welcher? Das ist jetzt die Preisfrage: Auf welcher Ebene sprechen die Texte, wenn sie nicht auf der Ebene realer Geschichte sprechen?
Ist das nicht paradox, dass diese Texte zwar von der Gerechtigkeit im Dieseits, aber nicht von der realen Geschichte sprechen wollen?
Mein Antwortversuch – und ich betone Versuch – lautet folgendermaßen: Die Schöpfungsgeschichte legt die politische Ordnung der Welt und der menschlichen Beziehungen fest. Sie legt das fest, WOVONHER Welt und Mensch kommen und was sie in ihrem Innersten bestimmt. Diese Ordnung verwirklicht der Mensch aber nur unvollkommen.
Als Gegenstück zu diesem WOVONHER gibt es dann auch das WORAUFHIN.
Dieses WORAUFHIN ist wiederum die Ordnung der Welt und der menschlichen Beziehungen. Und auch diese Ordnung verwirklicht der Mensch immer nur unvollkommen.
Obwohl die Bibel für das WOVONHER andere Bilder verwendet, als für das WORAUHIN, geht es vom Inhalt her immer um dasselbe: das friedliche, solidarische, gerechte, gleichberechtigte Zusammenleben der Menschen untereinander und mit all dem, was die Menschen umgibt.
Oder um es mit anderen Worten zu sagen: In der Schöpfungserzählung geht es nicht um einen zeitlichen Anfang, sondern um das Fundament des menschlichen Seins. Und in der Darstellung des Endes der Zeit geht es nicht um das zeitliche Ende, sondern das Ziel, auf das wir zustreben.
Inhaltlich sind Fundament und Ziel aber dasselbe, eben die weltweit gerechte Gemeinschaft aller Menschen.
Es geht also immer um die grundlegende Schöpfungsordnung, auch am Ende. Daher gibt es in der biblischen Darstellung des letzten Ortes immer auch Szenen von Schöpfung. Um nur ein kleines Zitat aus dem Buch der Offenbarung des Johannes zu geben. Dort heißt es von den letzten Tagen der Menschheit:
Er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu.
Offenbarung, Kapitel 21, Vers 5
Am Ende schafft Gott alles neu. Das Ende biegt sich so zum Anfang zurück. Oder anders gesagt: Das, was die Menschen in ihrem Inneren, von ihrem Wesen her sind, ist auch das, wohin sie streben, ist das, was ihr Menschsein im Ende auch ausmacht.
Das Leben der Menschen ist ein geschichtlicher Prozess, in dem der Mensch dann zur vollen Voll-END-ung kommt, wenn er sich auf das besinnt, was in ihm selbst von ANFANG an festgelegt ist.
Somit ist darin zugleich ein ethischer Anspruch wie auch eine Hoffnungsperspektive enthalten.
Der ethische Anspruch lautet: Mensch, du sollst dein Wesen verwirklichen und es verwirklicht sich nur in einer gerechten Gesellschaft.
Die Hoffnungsperspektive lautet: Mensch, dass wird dir nur unvollkommen gelingen, aber du bist nicht allein.
Weder Anfang noch Ende, weder Herkunft noch Ankunft, weder Fundament noch Ziel verwirklicht der Mensch von sich aus vollkommen. Die Bibel meint daher, dass es Gott braucht, der am Ende die Menschen nochmals so einrichten wird, wie sie von Anfang an gedacht waren.
Und hier lassen sich wieder einige Anschlussfragen stellen.
Zum Beispiel diese: Setzt Gott also am Ende unsere Freiheit außer Kraft, wenn er so deutlich eingreift?
Bei dieser Frage hat unsere Gesellschaft eine recht eigenartige Haltung entwickelt: Freiheit und Selbstbestimmung bedeuten, dass niemand in mein Leben eingreifen darf. Diese Vorstellung ist verständlich, führt doch der Eingriff in das Leben der anderen meist zur Freiheitseinschränkung. Dabei übersieht man zwei fundamentale Tatsachen:
1. Dass wir überhaupt am Leben sind und frei entscheiden können, ist selbst kein Ergebnis einer Selbstbestimmung. Niemand von uns hat sich frei entschieden, am Leben zu sein. Unser Anfang wurde von jemand anderen entschieden. Und mit dem Anfang meine ich nicht nur den zeitlichen Anfang, sondern dass wir als Menschen in diese Welt treten und damit als ein ganz bestimmtes Wesen. Mit dieser Fremdbestimmung haben die meisten kein Problem.
2. Warum haben wir aber ein Problem damit, wenn das Ziel unseres Lebens nicht aus eigener Leistung erbracht wird? Warum meinen wir, es unbedingt selbst bestimmmen zu müssen? Ist die Selbstbestimmung ein Garant für die Zielerreichung?
Der christliche Glaube würde sagen: Nein. Wenn du im Gefängnis sitzt, wirst du nicht freier werden, wenn du dich dazu selbst bestimmst. Du brauchst jemand anderen, der dir die Tür öffnet. Was ich mit diesem Bild sagen will: Nicht jeder Eingriff in das Leben eines anderen ist freiheitseinschränkend. Manchmal kann es auch freiheitsfördernd sein. Und die christliche Idee ist genau die: Gott greift ein, um den Menschen mehr Freiheit zu geben, ihn aus dem Gefängnis der Unvollkommenheit zu befreien. Dieses Mehr an Freiheit ist aber nur in einer gerechten Gesellschaft möglich.
Bleibt am Ende die Frage: Greift Gott wirklich ein? Die christliche Idee einer durch Gottes Hand geschaffenen neuen Welt ist ja schön, aber gibt es da wirklich einen Gott, der so handelt?
Christen sagen, mit Jesus habe Gott gehandelt. Mit ihm sei das Reich Gottes angebrochen, aber eben noch nicht vollendet. Scheinbar hat sich durch Jesus also gar nichts verändert.
Ist es nicht vielmehr so, dass wir alles aus eigener Kraft zustande bringen müssen? Und wenn wir in die Welt schauen, taucht da nicht die Frage auf, ob wir nicht gerade grandios an dieser Aufgabe scheitern. Weil Kriege, Naturkatastrophen, Armut, Ausbeutung und Flucht zunehmen? Und weil die Menschheit immer weiter auseinanderdriftet und sich nicht einigen kann?
Greift Gott also wirklich ein?
Ich breche hier ab und werde darauf wieder zurückkommen, nämlich in den Podcast-Folgen in der Fastenzeit. Schon jetzt kann ich verraten, dass es kein Happy End geben wird, wie es normalerweise die christliche Erzählung ist.
Seid gespannt!
Vorerst wünsche ich euch einen schönen Ausklang der Feier der letzten Tage. Mit anderen Worten: Frohe verbleibende Weihnachtsfeiertage.