Karlheinz Six

Franz von Assisi

Bild: Die drei Heiligen von Assisi - Franz von Assisi

Franziskus ist ja der große Heilige von Assisi. Vieles wurde über ihn geschrieben und gesagt. Neues kann ich dem wohl nicht mehr hinzufügen. Wozu also ein solcher Beitrag?

Hier soll es eher um einen mehr persönlichen Zugang zu Franziskus gehen. Davor aber möchte ich für alle, die sein Leben nicht so am Schirm haben, ein paar Eckdaten benennen.

Vom kleinen Franzosen zum großen Heiligen

1182 kommt Franziskus auf die Welt. Sein eigentlicher Name ist Giovanni. Seine Mutter hieß Giovanna, wurde aber Pica genannt. Den Namen Francesco (Französchen) hat er wahrscheinlich durch seinen Vater Bernadone erhalten. Dieser reist geschäftlich oft nach Frankreich. Außerdem war es üblich, den Menschen Rufnamen zu verpassen. Denn es wurden nur wenige Taufnamen verteilt, sodass es viele Giovannis, Giovannas und Bernadones gabe.

1202 zieht Franziskus gegen Perugia in den Krieg. Damals wollte er noch ein heldenhafter Ritter und Kämpfer werden. Er wird bald gefangen genommen und verbringt ein Jahr im Kerker.

1203 kommt er krank nach Hause zurück.

1206 bricht Franziskus mit seiner Familie. Sein Vater strengt einen Prozess vor dem Bischof Guido I. gegen ihn an. Dabei zieht sich Franziskus nackt aus und übergibt seinem Vater alles und verlässt die Stadt.

Der Prozess fand übrigens bei der Kirche Santa Maria Maggiore statt, wo heute der Leichnam Carlo Acutis im Glassarg zu bewundern ist. Dazu mehr im vorigen Beitrag.

Es schließen sich immer mehr Männer und später mit Klara auch Frauen seiner Lebensweise an. Diese Lebensweise wird von Papst Innozenz III. bestätigt. Nach langem Ringen schreibt Franziskus auch eine Ordensregel.

Die erste Kirche, die Franziskus renoviert, ist San Damiano am Rand von Assisi.

Bild: San Damiano
San Damiano
Porziuncola

Dort werden Klara und ihre Schwestern Platz finden. Die zweite Kirche ist die Porziuncula in Santa Maria degli Angeli. Das wird der Wohnort von Franz und seiner Brüder. Allerdings führt Franz ein Wanderleben, predigt in ganz Italien und geht 1219 sogar nach Syrien und Ägypten und freundet sich mit dem muslimischen Sultan al-Kâmil an.

1226 stirbt Franziskus nackt an den Stufen der Porziuncula. Sein Leichnam wird in einem Zug vorbei an San Damiano nach Assisi gebracht, wo er in der Kirche San Giorgio bestattet wurde.

1228 wird Franziskus heilig gesprochen. 1230 wurde sein Leichnam in die Basilika San Francesco überführt, wo er heute noch in der Unterkirche betrachtet werden kann.

1257 begann der Bau der Kirche Santa Chiara an der Stelle der Kirche San Giorgio. Diese Geschichte wird uns aber das nächste Mal beschäftigen.

Was ist also nun mein persönlicher Zugang zu Franz von Assisi?

Von der Armut …

Als ich ihn in meinem Jugendalter kennen gelernt habe, stand für mich sein Armutsideal ganz im Vordergrund. Sein Ideal war es, Jesus nachzufolgen und alles zu beachten, was er seinen Jüngern angewiesen hat, als er sie aussandte:

Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe!

Ich wollte damals auch so leben. Im Besitz sah – und sehe ich auch noch heute – kein Glück. Er hilft uns beim Leben, ist aber selbst nicht das, was wir Menschen uns im Innersten ersehnen.

Verkauft euren Besitz und gebt Almosen! Macht euch Geldbeutel, die nicht alt werden! Verschafft euch einen Schatz, der nicht abnimmt, im Himmel, wo kein Dieb ihn findet und keine Motte ihn frisst!

Mich befremdet es daher, wenn eine Wegwerf-Beraterin wie Marie Kondo so prominent ist, die sagt, wir sollten jeden Gegenstand anfassen und fühlen, ob er uns glücklich macht. Wenn nicht, dann können wir ihn gehen lassen. Aber all das kann ich auch in der Bibel nachlesen. Wobei die Bibel noch schärfer ist: Kein Gegenstand macht glücklich! Das, was Menschen sich ersehnen, ist im Himmel bei Gott zu finden.

Ein zweiter Grundzug hat mich damals geprägt: Franziskus’ Einsatz für die Aussätzigen. Wie ich schon in meinem Beitrag über Assisi geschildert habe, wurden diese aus der Stadt verbannt. Sie lebten im wörtlichen Sinn am Rand der Gesellschaft, ja schon außerhalb des Randes. Franziskus war sich nicht zu Schade, als Kaufmannsohn von seinem hohen Ross herunterzusteigen und mit ihnen zu leben.

Dies geht auf ein tatsächliches Erlebnis zurück: Hat er sich schon mehrmals mildtätig gegenüber den Armen gezeigt und ihnen Almosen gegeben, so kam es 1205/06 zu einer folgenreichen Begegnung: Er ritt im Tal und begegnete an einer Engstelle des Weges einem Aussätzigen. Franziskus empfand großen Ekel diesen Menschen gegenüber. Diesmal aber brachte er es nicht übers Herz, diesem einfach eine Münze zuzuwerfen. Er stieg vom Pferd, überreicht ihm die Münze, küsste ihm die Hand und setzte seinen Weg fort. Später lebte er mit ihnen vor den Toren Assisis.

Dieser Verzicht auf Geld und Macht und die Hinwendung zu den Armen sollte mein Leben prägen. Zwar nicht so, wie ich es mir in meinem Jugendalter vorgestellt hatte, sondern anders. Dazu habe ich eine ganze Podcastreihe gemacht, von der ich unten nur meine Gespräche mit meiner Frau einbinde.

… über Kirchenpolitik …

Erst viele Jahre oder Jahrzehnte später habe ich erst verstanden, dass er Wandel des Franziskus nicht von heute auf morgen ging. Halbbewusst dachte ich immer, es gab nur ein wirkliches Berufungserlebnis, dass ihn verändert hat. Gemeint ist jenes in der Kirche San Damiano, wo er vor einem Kreuz eine Vision hatte: Vom Kreuz her sagte Jesus: „Geh, und baue meine Kirche wieder auf.“ Woraufhin er versucht, das Kirchlein San Damiano zu renovieren.

Nebenbemerkung: Oft wird dieses Erlebnis so gedeutet, dass Jesus nicht das Kirchlein gemeint habe, sondern die Kirche als Institution. Er solle mit seiner gelebten Armut die reiche, machtvolle Kirche, die gegen die Ungläubigen Kreuzzüge durchführt, reformieren. Diese kirchenkritische Interpretation erfuhr dieses Ereignis aber erst lange nach dem Tod des Franziskus. Eine Kirchenreform strebte er selbst wahrscheinlich gar nicht an.

Seine rasche Heiligsprechung ist sicher auch kirchenpolitisch motiviert: Er wurde ja gerade vom einfachen Volk verehrt, sodass die Kirche die Chance darin sah, einen Ausgleich für ihre eigene Abgehobenheit zu finden. Dies ist aus meiner Sicht auch kein schlechter Gedanke. Immerhin erkannte die Kirche in sich selbst ein Problem.

Wie dem auch sei: Ich habe verstanden, dass sein Wandel mehrere Jahre brauchte von seiner ersten Gefangennahme bis zum Bruch mit der Familie vergingen vier Jahre.

… bis zur Dunkelheit

Und ich habe etwas entdeckt, was in der Spiritualität des Franziskus völlig im Hintergrund steht, was er selbst nicht spirituell verarbeitet hat: Sein Leben war im wörtlichen Sinn immer wieder von großer Dunkelheit geprägt. Nicht nur, dass er in Gefangenschaft war und dass er sich zeitweise vor seinem Vater in Höhlen versteckt hat, sondern auch weil er neben anderen Krankheiten auch an einer Augenkrankheit litt, die ihn vorübergehend blind machte. Auch das Gebet in San Damiano geschah in Dunkelheit, sodass er dem Priester Geld gab, damit dieser immer ein Licht zum Kreuz stellen konnte. Auch dazu habe ich ein Podcast-Folge gemacht, die ich an dieser Stelle einbinde.

Aus diesem Grund scheint mir das erste von ihm erhaltene Gebet von Franziskus so wichtig zu sein. Denn es ist das einzige, in dem er von der Dunkelheit spricht:

Höchster, lichtvoller Gott,
erleuchte die Finsternis in meinem Herzen:
gibt mir einen Glauben, der weiterfürht,
eine Hoffnung, die durch alles trägt,
und eine Liebe, die auf jeden Menschen zugeht.
Lass mich spüren, wer du, Herr, bist,
und erkennen, wie ich deinen Auftrag erfülle.
Amen

(zitiert nach Kuster N., Franziskus. Rebell und Heiliger, Freiburg ²2010, 19.)

Das nächste Mal geht es um Klara von Assisi, die für mich eine überraschende Neuentdeckung ist.


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