Afrikanischer Jesus - Diakon Karlheinz Six

Karlheinz Six

Ökofaire Langsamkeit

Titelbild: Ökofaire Langsamkeit

In diesem Blog werden mehrere Beiträge folgen, in denen ich über nachhaltiges, umwelt- und sozialverträgliches Reisen erzähle. Dabei geht es weniger um Theorie als vielmehr um das, was ich praktisch mache und erlebe. Dies ist nun einer dieser Beiträge. Wenn dich das Thema also nicht interessiert, dann musst auch nicht weiter lesen. Du versäumst aber dann auch meinen Preisvergleich und meine Gedanken zur Langsamkeit.

Vorweg noch eines: Ich mache das nicht, um mich als perfekt darzustellen. Das bin ich ganz und gar nicht, wie man bald lesen wird. Es geht vielmehr um die Reflexion meines Tuns als Gedankenanregung für andere. Denn eines kann man gleich sagen: Ökofair-Reisen braucht in der Vorarbeit sehr viel Zeit für Recherche. Zeit, die ich oft nicht habe.

Vor einigen Monaten haben sich meine Frau und ich entschlossen, längere Zeit in Italien zu verbringen. Zwei Entscheidungen fielen ganz schnell: Es sollten ca. zehn Tage in der umbrischen Stadt Trevi sein und ungefähr ebensolange in Assisi. Später kamen noch zwei Tage Ancona hinzu. Da wir beide weder Krösusse sind, noch einen Geldscheißer zu Hause haben, mussten wir nun überlegen, wie wir diese Reise kostengünstig und nachhaltig zustande bringen.

Camping

Die ökologischste Reisevariante ist das Übernachten im Zelt. Das verbraucht am wenigsten Ressourcen. Meine Frau hatte hier eher Zweifel. Sie meinte, dass ich vor vielen, vielen Jahren gemeint hatte, dass ich nie mehr campen werden. Da hatte sie recht. Dennoch habe ich mich in dieser Hinsicht verändert.

In Assisi gibt eines Campingplatz. Aber in Trevi direkt keinen. Trevi liegt auf einem Berg, der Campingplatz im Tal. Das war uns dann doch zu aufwendig. Ancona war eher kurzfristig und irgendwie wollten wir da auch nicht auf einen dieser typischen Touristencampingplätze. Immerhin ist die Frage, wie nachhaltig ein Campingplatz ist, der Swimmingpool usw. anbietet, wenn das Meer direkt vor der Haustür ist.

Erstes Todo: Kauf eines 3-Personen-Zeltes bei Vaude*, die nachhaltig produzieren. Wir haben online einen Händler gefunden (Name leider vergessen), der einen Aktionspreis angeboten hat. Dann Isomatten von Exped, die wir bei Giga Sport in Aktion gekauft haben. Später habe ich noch ökologisches Wasch- und Impreginiermittel von Nikwax gekauft.

Das Hotel in Ancona

Für die anderen beiden Destinationen haben wir Unterkünfte klassisch bei booking.com gesucht. Ich bin kein Fan dieser Plattform, weil ich mir über deren Geschäftspraktiken nicht sicher bin. Da müsste ich noch recherchieren. Jedesmal will ich booking.com nur als Suche, aber nicht als Kaufportal benutzen. Ich wurde von Hotel sogar schon gebeten, direkt bei Ihnen zu buchen. Jedoch gibt es Anbieter, die gar keine eigene Homepage haben, sondern die man eben nur über diese Plattform buchen kann.

Positiv ist jedoch bei booking.com, dass man einen Filter für nachhaltige Unterkünfte einstellen kann. Von keinem bis zu drei Blätter wird bewertet, wobei ich noch keine Zeit hatte, die Bewertungskriterien wirklich nachzulesen.

Für Ancona haben wir das Hotel Cantiani gebucht, dass zwei Blätter hat. Also mal nicht so schlecht. Zwei Nächte. Als wir dann am Abend vor der zweiten Nacht ins Zimmer kommen, lief die Klimaanlage. D. h. sie lief den ganzen Tag. Das macht zwar den Raum schön kühl, ist aber auch nicht gerade ökologisch sinnvoll. Und gerade meine Frau und ich brauchen kein solch gekühltes Zimmer: Ich liebe Wärme und sie verkühlt sich leicht. Wir haben also als erstes die Klimaanlage wieder ausgeschaltet. Ich denke mir auch: Wer wirklich ein gekühltes Zimmer haben möchte, kann doch die Anlage einschalten, wenn er*sie kommt. Der Raum ist eh realtiv rasch gekühlt.

Campeggio Fontemaggio a Assisi

Jetzt war ich schon ungezählte Male in Assisi. Das heißt, ich habe vor Jahren bei 12x aufgehört zu zählen. Aber am Camping-Platz war ich noch nie.

Er hat folgende Ausstattung: günstiges Restaurant, eine Bar, wo man auch Campingzubehör und sogar Handyladekabel kaufen und E-Bikes ausleihen kann, eine Jugendherberge, Bungalows und andere Häuser und für Camper Starkstromanschlüsse, außerdem Toilettanlagen, Waschmaschinen, Trockner und Möglichkeit für händisches Wäschewaschen (Automat mit Waschmittel, wenn man es braucht) und für Geschirrreinigung. Was es nicht gibt, sind z. B. Geschirrspülmaschine, Kühlschrank, Ausleihe „normaler“ Fahrräder oder Swimming-Pool.

Außerdem ist der Campingplatz nicht parzelliert. D. h. man kann sich seinen Platz einfach aussuchen. Das ist sehr sympathisch.


Kurzer Hinweis
Blog und Podcast mache ich in meiner Freizeit. Wenn du diese Arbeit auch finanziell anerkennen möchtest, dann kannst du mich über ko-fi auf einen Tee einladen oder direkt über Paypal einen kleinen Betrag senden.


Nun die entscheidende Frage: Was ist ökologisch besser: Waschmaschine oder mit der Hand waschen? Bei der Menge an schwarzen Sachen, die wir haben, entscheide ich mich in diesem Fall für Waschmaschine. Getrocknet wird nicht im Trockner, sondern auf der Wäscheleine, die wir in der Bar gekauft haben.

Bild: Zelt in Assisi mit Wäscheleine

Aber die sechs Sachen Buntwäsche? Die gehen mit der Hand. Denkste. Leider haben die Waschbecken dafür keinen Stoppel und es gibt auch nur eine mini-kleine Lavur, wo schon mal mein Handtuch als ganzen gar nicht reinpasst. Also so wird das Waschen sicher nicht ökofreundlich, zu viel Wasser- und Waschmittelverbrauch. Dahe: Rein rein in die Maschine.

Plastik, Plastik, Plastik

Da es keinen Kühlschrank gibt, müssen wir täglich Essen einkaufen. Kein Kühlschrank ist zwar ökofreundlich, aber in Italien erhält man bei jeden Einkauf gleich mehrere Plastiksackerl. Es ist sehr verwunderlich, dass Italien diese Sackerl nicht schon abgeschafft hat. Unglaublich.

Nach einer Woche kaufen wir eine stabilere Tasche. So sparen wir Plastiksackerl ein.

Jetzt haben wir aber auch keine Müllsäcke mehr. Der Müll muss auch relativ rasch weggebracht werden, da er sonst für alles mögliche Getier als freundliche Einladung zum Festmahl empfunden wird.

Zum Glück gibt es in Italien mittlerweile Mülltrennung.

Die Anreise

Natürlich. Man kann eine solche Reise auch mit dem Auto machen. Auch mit dem Camper, wie viele hier. Dabei gehe ich davon aus, dass die Anreise mit dem Zug aufs Ganze gesehen nicht wirklich treurer ist.

Kleine Rechnung gefällig? Unsere gesamte Reise beträgt 1.500 Kilometer. Amtliches Kilometergeld bei zwei Personen: 705 Euro. Warum ich das KM-Geld rechne? Weil allein der Sprit nicht die wahren Kosten sind. Hinzu kommen Abnützung, Versicherung, Maut, Wertverlust usw. Das alles muss eingerechnet werden.

Meine Frau und ich gemeinsam zahlen für diese Strecke mit dem Zug im Liegwagen ca. 750 Euro. Wobei wir eine kleine Strecke von ca. 30 km zu Fuß hinter uns bringen. Würde wir mit dem Zug fahren, müssten wir nochmals ca. 5 Euro mehr zahlen.

Ich habe auch mal nachgesehen, wie viel das kosten würde, wenn man fliegt: Der günstigste Flug, den ich gefunden habe, wäre von Wien nach Ancona und retour. Für zwei Personen ca. 600 Euro. Dann aber noch die Zugfahrten in Italien (+ 60 Euro) plus die Zugfahrt von Klagenfurt nach Wien (im günstigesten Fall Sparschiene für 120 Euro). Fliegen ist also auch im günstigsten Fall nicht billiger. – Von Klagenfurt fliegen würde die günstigste Variante ca. 740 Euro kosten. Immer noch nicht billiger.

Jetzt kann man sagen, dass man eine Reise gut planen muss, wenn man mit dem Zug fährt. Naja, in gewissem Sinn schon, aber wer sich auskennt, kann auch flexibel sein. Sicher bietet das Auto oder der Camper noch etwas mehr Flexibilität.

Im Gegenzug ist aber unsere Art zu reisen auch eine Art, das Leben und die Umgebung anders wahrzunehmen.

Flexibilität bedeutet in unseren Breiten oft auch, sich der Natur zu überheben. Wenn es regnet, schnell in den Camper; für Zelter immer ein Risiko. Wenn ich keine Lust mehr habe, hier zu bleiben, einfach los, woandershin.

Menschliche Grenzen sind da, um sie zu verschieben, um sie zu überschreiten, nicht um sie zu akzeptieren. Meint man.

Es gibt dann gar keine Widrigkeiten mehr, weil man sich ausreichend stark geschützt und motorisiert ist. Meint man.

In Wahrheit zeigen die Unwetter in Kärnten, wie schwach wir sind, wenn die Natur einmal so richtig los legt.

Unsere Art zu reisen lässt sich darauf ein, dass nicht alles glatt geht, dass es ein Risiko gibt. Ich kann mich an ein Camping-Erlebnis erinnern, wo der Regen in solchen Mengen heruntergekübelt hat, dass unter dem Zelt ein Fluss entstanden ist und relativ bald überschwemmt war. Dann heißt es flexibel zu sein.

Der andere Punkt ist die Langsamkeit des Reisens. In unseren Alltagen streben wir immer nach Zielen, die verwirklicht werden sollen. Zeitmanager wollen uns Tipps geben, wie wir schnell und effizient das Ziel erreichen können. Wozu? Damit wir mehr freie Zeit haben, in der wir uns von der Hektik erholen können, in der wir Ziele so schnell wie möglich erreicht haben. Statt einfach das Leben selbst ein bisschen langsamer anzugehen.

Sicher: Mit dem Auto bin ich schneller am Ziel. Der Weg ist dabei unwichtig. Was aber, wenn selbst der Weg schon wichtig ist? Wenn die Langsamkeit wichtig ist, damit die Seele dieselbe Geschwindigkeit hat, wie der Körper? Weil am Weg Erlebnisse warten, die wir am Ziel nie haben werde, weil es bewegte Erlebnisse sind (Lies dazu meinen Beitrag „It’s fucking night“)? Wie viel übersehe ich, wenn ich einfach an den Dingen vorbeirase? Wie viel bliebt unbeachtet?

Was ist, wenn der Urlaub, die Erholung nicht am Urlaubeziel beginnt, sondern schon zu Hause, noch bevor ich ins Auto oder in den Zug einsteige? Wie entspannt wäre ein solcher Urlaub wohl?

*Wenn ich im Folgenden konkrete Firmen nenne, möchte ich darauf hinweisen, dass ich keine Finanzierung dieser Firmen erhalte. Mir geht es um eine vollständige Information, auch deshalb, um von anderen evtl. bessere Infos zu erhalten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Aktueller Blogbeitrag
„ziellos unterwegs“

Aktuelle Podcast-Folge
„aus&aufbrechen“

Bild: Pause - von Arbeit, Entfremdung und Schöpfung

Pause