Afrikanischer Jesus - Diakon Karlheinz Six

Karlheinz Six

Das Richtige tun

Titelbild: Das Richtige tun

Was habe ich mir eigentlich in meinen jungen Jahren gedacht? So mit 20. Lebensplan hatte ich damals keinen so richtig. Ich habe aber auch nicht in den Tag hineingelebt. Ohne dass es schon zu einer gefestigten inneren Haltung geworden ist, habe ich das getan, was mir zum jeweiligen Zeitpunkt als richtig erschienen ist. (Was nicht bedeutet, dass ich immer das Richtige getan habe, und auch nicht, dass ich das heute vielleicht anders bewerten würde.)

Jedenfalls habe ich versucht, mich am Richtigen, nicht am Angenehmen zu orientieren. Da gab es für mich immer einen wichtigen Unterschied. Nicht dass ich gegen Angenehmes bin. Ich wollte es nur nie zum Leitfaden meines Handelns machen. Sondern es gilt das zu tun, was richtig ist. Wenn das zusätzlich noch angenehm ist, dann ist es umso besser. Aber nicht jede richtige Entscheidung war und ist angenehm.

Natürlich – und das soll nicht verschwiegen werden – hat gerade deshalb, weil das Richtige oft auch sehr unangenehm sein kann, das Angenehme gesiegt. Dann galt es, auf die richtige Spur zu kommen.

Kennst du das aus deinem eigenen Leben?

Der erste Tod meiner Pläne

Wie auch immer. Es war richtig (und angenehm – das sollte an dieser Stelle extra betont werden), meine damalige Freundin zu heiraten. Heuer sind wir 25 Jahre verheiratet, was kein Beweis der Richtigkeit ist, sondern eher, dass es immer noch angenehm ist. Aber richtig war und ist es auch.

Es war auch richtig, dass wir bald danach noch während unserer Studienzeit Kinder bekommen haben. Das war gerade anfangs nicht immer angenehm, was aber nichts gegen die Liebe zu unseren Kindern aussagt. Aber wer selbst Kinder hat, wird vermutlich wissen, was ich meine.

Ende meiner 20er-Jahre dachte ich, jetzt wäre es an der Zeit, einen neuen Lebenschritt zu wagen. Ich überlegte als Entwicklungshelfer nach Südamerika zu gehen. Eine damalige Bekannte, die selbst mehrere Jahre in Brasilien lebte, hat mich aber in Richtung Afrika gelenkt. Dieser Gedanke war mir bis dahin völlig fremd, aber ich habe mich darauf eingelassen.

Um mich langsam der Fremdheit Afrikas anzunähern, bin ich 2009 gemeinsam mit einer Frau über die Dreikönigsaktion nach Ghana gereist. Ein Monat. Ein Monat ohne Kinder. Ein Monat die Kinder ohne Eltern. Es war ein tränenreiches Wiedersehen.

2011 sind wir dann als ganze Familie nochmals nach Ghana. Und so schön diese Reise war … sie war der Tod meiner Pläne. Für meine Kinder stand fest: „Wir wollen in Klagenfurt bei unseren Freunden bleiben.“

Das Richtige zu tun, auch wenn es unangenehm ist, bedeutete für mich, da zu bleiben, kein abwesender Vater zu sein, schon gar nicht ein Vater auf einem anderen Kontinent. Also schob ich meine Pläne auf – bis zum Auszug meiner Kinder.

Der zweite Tod meiner Pläne

Das Warten dauerte mehr als zehn Jahre.

Dann, nach zehn Jahren, habe ich erste Überlegungen gemacht, meine Pläne umzusetzen. Es gab aber zwei Faktoren, die mich zum Umdenken brachten.

Zunächst einmal sehe ich mittlerweile Entwicklungszusammenarbeit eher kritisch. Geht es dabei nicht einfach darum, den Entwicklungsländern soweit zu helfen, dass wir in Europa wieder mehr aus ihnen herausholen können? Ist die ganze Unterstützung nicht ein Tropfen auf den heißen Stein, nach dem Europäer diesen reichen Kontinent ausgebeutet und arm gemacht haben? Wie effektiv ist die europäische Entwicklungshilfe eigentlich im Vergleich China, das wie eine Krake schön langsam Afrika mit ihren Tentakeln umschlingt?

Ghana selbst scheint schon auf diese Idee gekommen zu sein. 2021 gab der Präsident die Leitlinie „Ghana beyond aid“ heraus. Ziel ist die Unabhängigkeit von Entwicklungshilfe. Entwicklung müsse von innen kommen, brauche ein afrikanisches Gesicht, kein europäisches oder chinesisches in Afrika. (Hier ein Artikel dazu.) Wie frei kann sich Entwicklungszusammenarbeit eigentlich vom kolonialen Gedanken machen?

Aber es scheint auch positive Beispiele zu geben: Es gibt eine us-amerikanische Entwicklungshilfeorganisation, die mit einem bedingungslosen Grundeinkommens ein Dorf bei der Entwicklung unterstützt. Mehr als dieses Einkommen wird nicht getan, sodass tatsächlich eine innere Entwicklung gefördert wird. Und siehe da: Die Produktivität steigt. Oder ein anderes Beispiel: Österreich zieht sich nach 30 Jahren von der Zusammenarbeit mit Bhutan zurück. Grund: Das Land habe sich scheinbar durch die österreichische Hilfe soweit entwickelt, dass es darauf nicht mehr angewiesen ist. Hilfe zur Selbstermächtigung durch Überflüssigmachen seiner selbst.

Auch die Projekte, die die Dreikönigsaktion fördert und die ich selbst in Ghana kennen lernen konnte, scheinen sinnvoll zu sein. Für mein Leben ist der Gedanke daher nicht völlig gestrichen. Schauen wir mal, wohin der Weg führt.

Der zweite Faktor, der meine Pläne veränderte, ist der, dass ich Ende 2021 mein erstes Buch herausgegeben habe. Und wenn ich das so schreibe, dann klingt es nach einem zweiten. Ja, das ist auch mein Vorhaben. Es soll nicht nur bei diesem einen bleiben. Daher wollte ich mich im Bereich „Schreiben“ weiterentwickeln und mir Zeit dafür geben. Ich absolviere daher ein „Erweiterungsstudium Schreibwissenschaften“ und nehme jetzt eine Auszeit von einem Jahr.

Wohin mich der Weg da führt, weiß ich auch nicht.

Mein Plan für dieses Jahr war, das Studium weiter zu betreiben, mich intensiv mit dem Schreiben auseinander zu setzen und ein paar Monate in Ghana zu verbringen.

Aber wie sich gezeigt hat: Das Richtige tun bedeutet den Tod der Pläne.

Denn dann kam der 28. September 2022. Dazu mehr im nächsten Beitrag.

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