Afrikanischer Jesus - Diakon Karlheinz Six

Diakon Karlheinz Six

Segnung gleichgeschlechtlicher Paare – Teil 2

Titelbild: Segnung gleichgeschlechtlicher Paare - Teil 2

In der zweiten Episode zum Thema Segnung gleichgeschlechtlicher Paare gehe ich nun an den Kern der Sache. Eigentlich sind es zwei Kerne: Der eine ist das kirchenpolitische Spaltungspotenzial. Der zweite ist die Frage, ob gleichgeschlechtliche Paare gesegnet werden können.

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Transkript

Herzlichen Willkommen zur 26. Episode meines Podcasts „aus&aufbrechen“. In der letzten Episode habe ich begonnen, mich mit dem Thema der Segnung homosexueller Menschen zu beschäftigen. Ich habe mich vor allem mit dem Segnen auseinandergesetzt. Manche meinen ja, dass gleichgeschlechtliche Paare gesegnet werden können, unabhängig davon wie Homosexualität zu bewerten ist. Ich bin jedoch zum Schluss gekommen, dass diese Trennung letztlich nicht möglich ist.

In dieser Episode werde ich das noch Vertiefen, dann die Frage stellen, ob Homosexualität okay ist – um es mal so flapsig zu sagen – und gleich am Beginn werde ich über die kirchenpolitische Sprengkraft dieser Frage sprechen.

Bevor ich aber genauer darauf eingehe, möchte ich wie immer auf die Kontaktmöglichkeiten und meine Social-Media-Kanäle aufmerksam machen. Du findest sie in den Shownotes. Nachrichten und Kommentare sind immer willkommen. In den Shownotes findest du auch die alte Adresse meiner neue Homepage, bei der du gern vorbeischauen und über die du dich für meinen Newsletter anmelden kannst.

Die Spaltung der Kirche in dieser Frage

Wie in der Einleitung angesprochen, hat die Frage nach der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare kirchenpolitisches Spaltungspotenzial. Das zeigt uns gerade die anglikanischen Kirche vor. Was war da in den letzten Monaten los?

Die anglikanische Mutterkirche in England hat vor Kurzem bei einer Konferenz beschlossen, hinkünftig Segnungen homosexueller Paare zuzulassen. Dies rief zahlreiche afrikanische Bischöfe auf den Plan, die sich nun von der englischen Mutterkirche abspalten. Sie fordern die englische Kirche zur Umkehr und zu einem öffentlichen Schuldbekenntnis auf. Die afrikanischen Bischöfe werden deshalb in Europa mit dem – mittlerweile schon abwertenden – Etikette „konservativ“ bezeichnet.

Diese Vorgänge zeigen, was der katholischen Kirchen blühen könnte, wenn solche Segnungen auch bei uns zugelassen werden würden. Wir dürfen nicht übersehen, dass auch in der katholischen Kirche die afrikanischen Katholiken in der Überzahl sind. Wenn die europäischen Kirchen hier nach vorn preschen, dann könnte das auch zu einer Kirchenspaltung führen. Und die Europäer preschen teilweise schon nach vor, wenn man sich zum Beispiel die Ergebnisse des Synodalen Prozesses in Deutschland oder Wortmeldungen einzelner Bischöfe ansieht.

Dabei darf Afrika aber nicht einfach als konservativer, ja rückständiger Kontinent abgetan werden. Wir sollten hier vorsichtig sein, wenn wir solch koloniale Denkkategorien wachhalten. Das Leben der Menschen in Afrika und Europa ist nicht einfach vergleichbar und Bewertungen von Lebens- und Denkweisen sollten mehrmals reflektiert werden.

Wir sollten ein differenziertes Bild von beiden Kontinenten haben: Auch in Europa ist Homosexualität nicht unumstritten, denken wir etwa an Staaten wie Polen oder Ungarn.

Fakt ist jedoch auch, dass es in vielen afrikanische Staaten auf der einen Seite LGBTIQ-Bewegungen gibt. Demgegenüber gibt es andererseits aber auch Staaten, in denen auf homosexuelle Beziehungen hohe Strafen stehen, die sogar Todesstrafen sein können wie in Ruanda oder Uganda.

Die Einheit der Kirche in der Welt kann scheinbar derzeit nur aufrecht erhalten bleiben, wenn wir in Europa eine andere, seltsame Art von Spaltung leben. Also, ohne Spaltung geht es nicht. Und diese Spaltung ist eine zwischen kirchlicher Lehre und Praxis. Oder im Kirchensprech: zwischen Lehramt und Seelsorge. Was meine ich konkret damit?

Das Lehramt der Kirche heißt homosexuelle Beziehungen nach wie vor nicht gut. Zu den Argumenten dazu komme ich später.

Die Seelsorge in der Kirche geht aber schon ganz andere Wege. Nicht nur, dass viele Priester und Diakone ganz ungeniert homosexuelle Paare segnen, haben sich in den letzten Jahren zunehmend mehr Bischöfe für solche Segnungen ausgesprochen, ja, selbst schon solche durchgeführt.

In der Öffentlichkeit dafür ausgesprochen haben sich zum Beispiel in Österreich der Vorsitzende der Bischofskonferenz Franz Lackner und der für diese Agenden zuständige Bischof Hermann Glettler. Auch mein Bischof in Gurk hat sich dafür ausgesprochen. In Deutschland gilt dasselbe. Zuletzt der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing.

Und dann dürfen wir natürlich nicht die Initiative „out in church“ vergessen, bei der über hundert kirchliche Angestellte in Deutschland sich zu ihrer Homosexualität und ihrer Queerness bekannt haben. In Deutschland sah nämlich das kirchliche Arbeitsrecht bis vor Kurzem vor, dass jemand aus diesem Grund gekündigt werden kann. Das hat die Kirche aber mittlerweile geändert.

Es ist also eine seltsame Situation, dass in der Praxis etwas gelebt wird, was die Lehre verbietet. Aber wer in die Kirchengeschichte schaut, wird sehen, dass es dieses Phänomen schon öfter gab. Viele hoffen nun, dass am Ende die Lehre nachziehen wird. Andere hoffen hingegen, dass wieder ein Papst kommt, der dieser Praxis Einhalt gebietet.

Apropos Papst: Was meint der eigentlich dazu? Papst Franziskus lässt die Lehre der Kirche unangetastet. Er möchte sie auch nicht verändern. Er sagt aber, dass wir uns homosexuellen Menschen gegenüber barmherzig zeigen sollen. Allein mit dieser Aussage macht er zwei Probleme auf:

ist das gegenüber homosexuellen Menschen eine diskriminierende Aussage. Denn im Kontext, wo die Lehre nicht verändert wird, betrachte ich homosexuelle Menschen als permanente Sünder*innen. Ihnen soll nun nicht mit Verurteilungen und Zurechtweisungen begegnet werden – wie es teilweise immer noch geschieht – sondern mit Barmherzigkeit. Dem Papst geht es also um eine andere Art der Seelsorge.
Damit verortet der Papst das Thema in der Seelsorge, also in der Praxis der Kirche. Nicht auf der Ebene der Lehre. Es geht ihm nicht um die Frage, ob nach heutigem Stand die Kirche ihre Lehre ändern soll, sondern auf welche Art und Weise mit homosexuellen Menschen umgegangen werden kann.
Dagegen kann man einwenden: Homosexuelle wollen keine Barmherzigkeit, die sie unausgesprochen zu Sünder*innen abstempelt, sondern die Anerkennung ihrer Liebe und Zuneigung als schöpfungsgemäß.

Überleitung

Ich bin damit von einer anderen Seite her erneut bei der Kernfrage gelandet: Können homosexuelle Beziehung als schöpfungsgemäß angesehen werden?

Wie ich in der letzten Episode ausgeführt habe, kommen wir um diese Frage auch bei der Segnung solcher Paare nicht herum. Ich sehe keine Möglichkeit einfach zu sagen, ganz unabhängig von der Beurteilung der Sachlage können alle Menschen gesegnet werden.

Ich habe das letzte Mal das Beispiel der Segnung von Soldaten vor einem Angriffskrieg gebracht und davon abgeleitet, dass diese gesegnet werden können, dass aber der Inhalt des Segens nicht schöpfungswidrig sein darf.

Ich möchte noch ein anderes Beispiel bringen: Wenn ich erfahre, dass in einer heterosexuellen Beziehung der Mann andauernde Gewalt gegenüber seiner Partnerin ausübt, ich würde bei einem solchen Paar nicht einfach eine Segnung vornehmen und schon gar keine Eheschließung. Ich könnte natürlich diese Menschen einzeln segnen, aber nicht als Paar. Denn letzteres würde bedeuten, dass diese Beziehung gutgeheißen wird. Der Mann müsste mir vorher glaubwürdig machen, dass er effektive Schritte unternimmt, um seine Wut anders in den Griff zu bekommen.

Im letzten Beispiel habe ich jetzt etwas gemacht, was viele Befürworter von Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare auch machen: Sie unterscheiden zwischen Menschen und Beziehung. Und sie argumentieren dann: Es wird ja nicht die Beziehung gesegnet, sondern die Menschen und denen dürfe man ja den Segen nicht verweigern.

Was für ein Blödsinn: Wenn vor mir ein Paar steht, dass gerade vom Standesamt kommt und jetzt um den Segen bittet, wie soll da ein solcher Unterschied von Mensch und Beziehung gemacht werden. Auch wenn ich das als Segnung zweier einzelner Menschen ansehe, die zufälligerweise nebeneinander stehen, so ist der Inhalt des Segens doch wohl der, dass die Liebe und die Beziehung zu einem anderen Menschen mit Gottes Hilfe gelingen möge. Die Beziehung bleibt nicht außen vor.

Argumente

Wir kommen also aus meiner Sicht in keinem Fall drum herum, uns vorher Gedanken zu machen, ob gleichgeschlechtliche Beziehungen Teil der göttlichen Schöpfungsordnung sind. Man könnte natürlich sagen, wozu eigentlich muss man das besonders begründen. Naja, allein deshalb, weil es eben innerhalb der Kirche Argumente gegen homosexuelle Beziehungen gibt. Will man diese Ablehnung ändern, braucht man gute Gegenargumente.

Ich kann in dieser Episode natürlich nicht sämtliche Argumente im Detail besprechen, aber einen kleinen Überblick kann ich geben. Zunächst also: Welche Gründe zur Ablehnung von homosexuellen Beziehungen werden vorgebracht:

  1. Es gibt die Ansicht, dass jeder Sexualakt offen sein soll für Kinder. Da dies offensichtlich bei homosexuellen Menschen nicht der Fall ist, ist auch ein solcher sexueller Verkehr moralisch nicht erlaubt.
  2. Daraus folgt, dass Homosexualität nicht natürlich sei. Denn in der Natur strebt eine Art danach, sich selbst zu erhalten, also sich zu vermehren. In religiöser Sprache: Homosexualität ist nicht im Sinn der Schöpfungsordnung, in der der Auftrag zur Vermehrung enthalten ist.
  3. Mit Blick eben auf die Bibel wird gesagt, dass es Stellen gibt, die sich gegen Homosexualität aussprechen. Die Bibel verbietet also homosexuelle Kontakte.
  4. Homosexualität ist eine Krankheit und soll daher geheilt werden. Es gibt im katholischen Bereich, aber vor allem im evangelikalen Bereich Vertreter*innen, die sich für so genannte Konversionstherapien aussprechen.

Das sind wohl die geläufigsten Argumente. Wenn diese also vorliegen, so kann man diese Argumente auch prüfen und fragen, was spricht gegen diese Argumente:

  1. Grundsätzlich gilt: Die ganze Sexualmoral der Kirche steht heute auf sehr wackeligen Beinen und das Lehramt ist schon lange aufgerufen, sich hier weiterzuentwickeln. Diesem Ruf folgt nur nicht.
  2. Zu konkreten Thema aber zwei Dinge: Zum einen ist die Ansicht, dass jeder Sexualakt für Kinder offen sein muss, eine recht späte Entwicklung. Beim letzten Konzil – einer Versammlung aller Bischöfe – hat man noch gemeint, dass Sexualität insgesamt für Kinder offen sein soll. Von einer Verengung auf jeden einzelnen Akt war nicht die Rede. Und das ist auch der zweite Punkt: Die kirchliche Sexualmoral leidet an einer verengten Sicht vom Menschen: Was ist mit der Sexualität als Ausdruck von gegenseitiger Liebe? Dem würde die Kirche ja noch recht geben. Aber wie sieht es mit Lust und Befriedigung aus? Ist Sexualität nicht auch dazu da? Ist der Mensch nicht auch ein lustvolles Wesen? Und ist das nicht auch in Ordnung, wenn Sexualität nicht für die Kinderzeugung verzweckt wird, sondern einfach auch ausgelebt werden darf, manchmal einzig mit dem Ziel, die Lust des*der Partner*in zu befriedigen – und auch die eigene.
  3. Der moderne Mensch würde das bejahen. Die Kirche, die sich seit mehreren Jahrhunderten mit den Begierden und Lüsten schwer tut, hat so ihr Probleme damit.
    Es bedarf also einer neuen Reflexion über das, was Sexualität ist. Und damit bedarf es auch ein neues Nachdenken über das, was eigentlich mit der Schöpfungsordnung gemeint ist. Ist es wirklich so, dass nur eine heteronormative Beziehung in diese Ordnung passt? Oder kann es nicht auch sein, dass Gott mehr Vielfalt vorgesehen hat? Ich kann es an dieser Stelle nur bei Fragen belassen.
    Allein mit der Bibel kann man hier nicht argumentieren. Spricht sich nämlich die Bibel wirklich gegen Homosexualität aus? Die Bibel ist kein einheitliches Buch. Es finden sich mehrere Widersprüche darin und das ist auch in Ordnung so. Es gibt stellen, die sich gegen homosexuelle Beziehungen wenden. Aber sind damit solche Beziehungen gemeint, die wir heute haben? In früheren Zeiten war Homosexualität oft anders kontextualisiert: Da gab es die Machtverhältnisse, in denen sich der Untergebene dem Übergeordneten sexuell gefällig zeigen musste. Da gab es auch die Orgien, wo verheiratete Männer sich an Lustknaben vergnügten.
  4. Wir können also nicht einfach sagen, die Bibel verbiete Homosexualität. Vielmehr wendet sie sich gegen bestimmte Auswüchse homosexueller Aktivitäten. Im Übrigen wendet sie sich an keiner Stelle gegen lesbische Beziehungen. Sie nimmt ausschließlich männlichen Verkehr in den Blick.
    Wer allerdings die Bibel vorurteilsfrei liest, wird erkennen, dass die Bibel auch sehr positiv von homosexuellen Beziehungen spricht. So heißt es von David, der viele Frauen besessen hat, dass es nur eine Person gab, die er liebte, nämlich Jonathan. Und auch von Rut und Noomi wird gesagt, dass sie sich liebten. Rut bekam sogar ein Kind – aber nicht für den Vater des Kindes, sondern für Noomi.
  5. Ein letztes Gegenargument ist auch, dass die Kirche zu wenig oder gar nicht die neueste Forschung zur Sexualität und Homosexualität berücksichtige.

Abschluss

Es gibt aus meiner Sicht gute Gründe, die die Kirche veranlassen sollte, ihre Positionen im Bereich der Sexualmoral zu überdenken. Obwohl das kirchenpolitisch ein großes Spaltungspotenzial hat. Vielleicht rührt der Papst deshalb nicht an der Lehre. So können wir zumindest die Spaltung zwischen Lehre und Praxis, sprich Seelsorge, munter weiter leben.

Abschließend also nochmals die Frage nach der Segnung:

Aus meiner Sicht gibt es kein stichhaltiges Argument, homosexuelle Beziehungen weniger als heterosexuelle anzuerkennen. Daher gibt es auch kein stichhaltiges Argument, die Segnung zu verweigern.

Vielmehr gilt umgekehrt: Wenn sich zwei Menschen in Liebe füreinander entscheiden, wenn sie bereit sind, sich gegenseitig zu unterstützen und einander beizustehen, ja, wenn sie bereit sind, Freud und Leid zu teilen, durch dick und dünn zu gehen, in Gesundheit und Krankheit da zu sein, und auf Gott vertrauen, dass er ihren Weg begleitet, dann sind sie ja schon gesegnet. Die Segensfeier ist dann lediglich der feierliche, spürbare Ausdruck dieses immer schon gewährten Segens.

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