Afrikanischer Jesus - Diakon Karlheinz Six

Diakon Karlheinz Six

Erste Heraus-forderungen in Accra

Titelbild: Erste Herausforderungen in Accra

Ich bin ja nicht zum ersten Mal in Ghana. Und daher weiß ich auch, was ungefähr auf mich zukommt. Dennoch kommt man in eine immer fremd bleibende Kultur, die zu Herausforderungen führt.

Wenn ich das schreibe, bin ich den zweiten Tag in Accra, der Hauptstadt von Ghana, direkt am Atlantik. Sie hat 2,5 Mio. Einwohner (obwohl Wikipedia nur von knapp 300.000 spricht) und ist ungefähr so groß wie Berlin. Sie ist keine Stadt, wie wir Europäer sie gewohnt sind. Es gibt kein wirkliches Stadtzentrum und als Österreicher, der Ordnung auch im Straßenverkehr gewohnt ist, kann die Stadt, ihre Struktur und ihr Leben schnell überfordern.

Ich möchte hier von ein paar der ersten Herausforderungen in den ersten beiden Tagen erzählen.

Keine Vorfreude

Eigentlich begann die erste Herausforderung noch zu Hause. Viele meiner Freund*innen sprachen von einem Abenteuer, dass ich erleben werde, meinten, ich wäre mutig, und waren insgesamt voll positiver Bewunderung. Aber ich fühlte ganz anders. In den letzten Tagen vor der Abreise glaubte ich, krank zu werden. Ich warf mir einige Vitamine ein und es besserte sich am Tag der Abreise wieder. Irgendwie glaube ich, dass das eher psychisch bedingt war.

Innerlich spürte ich einen Widerstand wegzufahren. So lange habe ich darauf hingeplant und jetzt will ich eigentlich gar nicht weg. Lieber wäre ich bei meiner Frau geblieben oder hätte sie mitgenommen. Das überwiegende Gefühl bei der Abfahrt war also Trauer beim Abschiednehmen und Unsicherheit über das, was da auf mich zukommen wird. Mutig fühlte und fühle ich mich gar nicht. Und ein Abenteurer bin ich auch nicht. Vielmehr merke ich, wie wichtig mir Sicherheit ist. Und ich merke auch, wie schwierig es ist, wenn man keine vertraute Person an seiner Seite hat.


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Kein Fahrer da

Bild: Erster Sonnenuntergang in Accra

Meine erste Unterkunft ist das Guest House der Steyler Missionare in Accra. Den Direktor bat ich, mir einen Fahrer zu schicken. Denn ich wusste eines: Wenn ich aus dem Flughafen gehe, dann wird es chaotisch. Jede Menge Taxifahrer, die mich abzocken wollen. Bei Weißen wird gleich mal der fünffache Preis verlangt. Das ist auch eine Art Rassismus, aber man beachte: Es ist die „Benachteiligung“ eines Privilegierten, dessen Lebensstandard unter anderem auf der Ausbeutung die afrikanischer Länder beruht. Oft sind die überhöhten Preise immer noch billiger als in Österreich. Also kein Rassismus, über den ich klagen darf.

Um mich jedenfalls dem Stress nicht auszusetzen, hatte ich um einen Fahrer gebeten, wusste aber nicht, ob wirklich einer kommen wird, da ich keine Antwort erhalten hatte.

Zum Glück verlief beim Flug alles gut. Ankunft pünktlich und mein Gepäck ging auch nicht verloren.

Ich trat also aus dem Flughafen hinaus. Und? Jede Menge Taxifahrer, die mich anquatschten. Ich schaute nach einem Mann, der einen Zettel mit meinem Namen in der Hand hielt. Vergeblich. Keiner da.

Ein Taxifahrer, der meine Hilflosigkeit sieht, will mir helfen. Mir ist klar, dass er einen Gegenleistung will, aber ich brauche Hilfe. Also lasse ich mir helfen. Er ruft den Direktor des Guest House an. Der Fahrer ist unterwegs, steckt aber im Verkehr fest. Wir warten. In der Zwischenzeit zeigt er mir, wo ich Geld abheben kann. 1000 Cedis sind mir nicht erlaubt. Also hebe ich mal 200 Cedi ab. Umgerechnet: 18 Euro.

Weiteres Telefonat: Taxifahrer und Fahrer machen sich einen Treffpunkt aus; der Taxifahrer bringt mich hin. Dann fragt er nach einem „Tip“. Ich bin unsicher, weil ich nicht weiß, was derzeit die angemessenen Preise sind. Ich frage ihn, wie viel er haben will. Er meinte 50 Dollar.

Ganz sicher. Ich muss innerlich lachen, weil das wirklich bei weitem überzogen ist. Ich lehne ab und sage, er kann 100 Cedi haben, und strecke sie ihm gleich hin. Er jammert und dann gebe ich ihm auch noch die anderen 100. Damit hab ich weniger gezahlt, als er ursprünglich wollte, aber immer noch zu viel. Angemessen wären vielleicht 50 Cedi gewesen (also 4-5 Euro).

In Ghana muss man einfach wissen: Bein Taxifahren muss man zuerst den Preis ausmachen. Es gehört zum guten Ton, zu handeln. Wer nicht handelt, ist unhöflich.

Ich habe am nächsten Tag einen guten Tipp bekommen. Ich solle ein Uber bestellen, denn da ist der Preis schon fixiert. Den Tipp werde ich beachten.

Jedenfalls war ich froh, dass ich im Auto des Guest-House-Fahrers saß und dann endlich auch in der Unterkunft angekam.

Kaltes Wasser

Im Durchschnitt hat es in Ghana das ganze Jahr über zwischen 20 und 30 Grad Celsius. Man kann sich also denken, dass Heizung und natürlich auch Warmwasser nicht so das Thema sind. Gut, Heißwasser für Kaffee und Tee. Aber das wars auch schon.

Und ich gebe zu, dass ich ein Warmduscher bin. Ich passe also so gar nicht in den Trend der Kaltduscher und Eiswasserschwimmer. Meine vormalige Hautärztin meinte einmal, dass das mit meiner Neurodermitis zusammenhängt. Meine Haut bietet nicht den Schutz, den normale Haut bietet, sondern mein Körper hat einen ständigen Wärmeverlust, den ich durch warmduschen ausgleichen will. Und es stimmt: Je schlimmer meine Haut war, desto heißer duschte ich. Also eigentlich bin ich ein Heißduscher.

Nun ja. Auch das wusste ich, dass das Duschen bei nicht gewärmten Wasser eine Herausforderung wird. Auf das habe ich mich am allerwenigsten gefreut. Aber es geht. Man gewöhnt sich an alles. Wer weiß, vielleicht werde ich auch noch zum Kaltduscher. Naja, zumindest zum Lufttemperaturduscher.

Jeder braucht ein Handy

Da ich länger hier bleibe, will ich mir eine SIM-Karte besorgen. Vor mehr als zehn Jahren konnte man die einfach an einem Stand auf der Straße kaufen. Jetzt ist das ziemlich aufwendig.

Ein junger Steyler Missionar aus Kenia, der seit einem Jahr in Accra ist und bald nach Brasilien zum Studium weiterreisen wird, hilft mir. Wir gehen in einen MTN-Laden. Davor steht Security, wir müssen zuerst heraußen warten. Dafür gibt es eigene Sessel vor dem Geschäft. Dann kommen wir hinein. Am Schalter muss ich meinen Pass zeigen. Die Angestellten verstehen nicht, was das für ein Pass sein soll. Ich schaue auf Seite 2 des Passes und finde nirgends „Republic of Austria“. Wundert mich. Eigenartig. (Gut, wie die Angestellten war auch ich mit Blindheit geschlagen, denn die letzte Bezeichnung auf Seite 2 ist englisch. Auch eigenartig, dass es die letzte ist.)

Wie auch immer: Es wurden Fotos von mir gemacht und meine Fingerabdrücke fotografiert. Eine Mitarbeiterin hat ständig auf ihrem Handy herumgetippt und ich dachte, warum sie jetzt so lange Nachrichten schreiben muss. Tatsächlich hat sie aber meinen Fall bearbeitet. Sie hat keinen Computer, sondern macht alles am Handy.

Ich erhalte die SIM-Karte. Gilt für 90 Tage. Dann zum nächsten Schalter, um Geld drauf zu laden. Wieder eine Mitarbeiterin, die alles mit ihrem Handy macht. Auch sie hat keinen Computer.

In der Unterkunft steckte ich dann die SIM-Karte ins Handy. Leider erkannte mein Fairphone 4 die Karte nicht. Ich glaube, dass es am Handy liegt. Ich habe deshalb Fairphone angeschrieben. Wartezeit für eine Antwort 4-5 Werktage.

Um die Ecke gegangen

Also habe ich jetzt das Problem, dass ich am Handy kein Internet habe und daher auch Google Maps zur Orientierung nicht verwenden kann. Bzw. ich habe Internet über meinen österreichischen Anbieter. 1 MB kostet aber 15 Euro. Nicht lustig.

In der Unterkunft habe ich zumindest ganz gutes Internet. Ich lade mir also Navmii herunter. Diese App funktioniert auch ohne Internet; GPS reicht aus. Man muss aber ein paar Nachteile in Kauf nehmen: 1. Es braucht Speicherplatz, weil man die Landkarte aufs Handy speichern muss. 2. Es kennt viele Sehenswürdigkeiten nicht mit dem Namen. 3. Auch die Suche nach z. B. Restaurants oder Supermärkte ist eingeschränkt.

Was ich aber mache ist, dass ich in der Unterkunft alle Orte in Google Maps recherchiere und dann in Navmii als Favoriten anlege. Das geht und dann findet man schon durch die Stadt.

Wenn man sich als Weißer überhaupt allein auf die Straße traut.

Also, „trauen“ ist jetzt zu viel gesagt: Ich halte Accra tagsüber für nicht so gefährlich. Sie gilt auch als eine der sichersten Städte in Afrika. Aber die Hektik dieser Stadt, das dauernde Angequatschtwerden und das ständige Abwehren von aufdringlichen Menschen, die sich etwas von mir erwarten, ist für mich nur schwer auszuhalten. Das muss ich noch trainieren.

Bild: Katholische Kathedrale zum Heiligen Geist

Jedenfalls traute ich mich dann doch einmal auf die Straße und ging mit der Beschreibung von Navmii zur katholischen Heiligen-Geist-Kathedrale von Accra. Gut. Sie liegt gleich ums Eck. Vier Minuten zu Fuß. Ich wurde von niemanden angequatscht. Aber ich war auch nicht auf belebten Straßen unterwegs.

Und wenn es heute (13. 10. 2023) mal aufhört zu regnen, dann werde ich ein weniger weiter in die Stadt gehen.


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