Afrikanischer Jesus - Diakon Karlheinz Six

Diakon Karlheinz Six

Kranksein in Ghana

Titelbild: Kranksein in Ghana

Immer wieder ist mir die Frage gestellt worden: Was machst du eigentlich in Ghana? Naja, die Antwort ist ja recht einfach: Ich lebe. Und zwar ohne Plan und Absicht. Ich wollte es einfach auf mich zukommen lassen.

Und da kam dann auch was auf mich zu!

Ich habe mich zwar auch als Tourist bewegt. Sprich: Ich habe mir das eine oder andere angesehen. Aber in erster Linie wollte ich einfach nur dort sein. Mehr nicht.

Das scheint aber nicht das europäische Konzept von Urlaub zu sein. Dieses sieht nämlich vor, dass man bestimmte Absichten und Vorhaben hat. Dass man alles durchplant. Die Europäer konzipieren ihren Urlaub so, wie sie das restliche Jahr über arbeiten und leben. Sie können sich nicht vorstellen, dass es auch Zeiten gibt, die einfach ungeplant sind. In denen das geschehen kann, was halt geschieht. In denen Erfahrungen gemacht werden, mit denen niemand gerechnet hat.

Ja, auch ich habe nicht mit den Erfahrungen gerechnet, die ich dann gemacht habe!

Und so kam es, dass ich Schritt für Schritt kränker wurde, um im Nachhinein festzustellen, dass ich auch sterben hätte können.

Aber der chronologischen Reihe nach:

 

Donnerstag, 9. November

Ich möchte Blut spenden. Eher aus Eigennutz. Ich habe Hämochromatose, die nur durch regelmäßige Aderlässe zu behandeln ist.

Ich fahre also in die Blutspendezentrale von Tamale. Jedoch ist das Personal an diesem Tag nicht anwesend, sondern ausgefahren. Ich solle morgen wieder kommen. Heißt es.

 

Freitag, 10. November

Ich habe ein komisches Gefühl im Kopf. Nicht Schmerzen, sondern eher Schwindel und Dusligkeit. Ich ahne, dass ich Malaria bekomme. Das hatte ich schon einmal; daher kenne ich die Symptome. Ich versuche dennoch zum Blutspenden zu gehen, komme aber nur 100 Meter, dann muss ich umkehren.

Was ich an diesem Tag nicht weiß: Ein Test ist kein großer Aufwand. Das war vor 14 Jahren noch anders.


Kurzer Hinweis Blog und Podcast mache ich in meiner Freizeit. Wenn du diese Arbeit auch finanziell anerkennen möchtest, dann kannst du mich über ko-fi auf einen Tee einladen oder direkt über Paypal einen kleinen Betrag senden.

Samstag, 11. November

Ich erfahre, dass ich bei der nahen Apotheke einfach einen Test machen kann. Gesagt, getan. Test ist positiv. Erschreckt mich jetzt nicht. Keine große Sache in Ghana. Ich fasse Medikamente für drei Tage aus.

Was ich auch noch weiß: Die Nebenwirkungen dieser Medikamente schlagen bei mir immer ein. Wenn ich mich also drei Tage nicht so super fühle, ist das jetzt nicht so schlimm.

 

Dienstag, 14. November

Ich fühle mich immer noch nicht so super. Ich zweifle, ob es die Nebenwirkungen sind. Also nochmals in Labor. Testergebnis: Nicht nur positiv, sondern die Parasitenzahl ist höher geworden. Ich fasse also wieder für drei Tage Medikamente aus, aber andere.

 

Freitag, 17. November

Ich fühle mich gar nicht gut. Ich kann nicht mehr essen. Kriege keinen Bissen mehr hinunter. Wenn ich esse, schwitze ich, fühle eine Übelkeit und im Oberbauch habe ich Schmerzen. Ich muss zu einem Arzt.

Meine Unterkunft gehört den Steyler Missionaren. Ich frage einen Bruder, wie ich zu einem Arzt komme. Er bringt mich in ein katholisches Krankenhaus. Dort stellt man fest: Ich habe immer noch Malaria und zusätzlich auch Typus.

Gegen die Malaria bekomme ich eine Spritze. Und dann noch eine ganze Reihe von Medikamenten. Gegen Malaria die üblichen drei Tage, gegen Typhus für zehn Tage.

Bild: Katholischen Krankenhaus St. Lucy Tamale, Ghana
Katholischen Krankenhaus St. Lucy Tamale, Ghana

 

Nach drei Tagen mache ich einen Malaria-Test. Ergebnis: negativ. Im Laufe der Woche bessert sich mein Zustand. Ich kann wieder ein wenig unterwegs sein.

 

Freitag, 24. November

Am Abend wird mir ganz übel, ich Huste fürchterlich und mir wird schwindlig. Der Kreislauf sackt völlig ab. Ich schaffe es noch irgendwie in die Apotheke, um mir einen Hustensaft zu besorgen, damit ich in der Nacht schlafen kann. Und man muss sagen: Die Dinger wirken. Nicht so wie europäische Pseudo-Hustensäfte.

 

Samstag, 25. November

Bild: Venenzugang
Venenzugang

Ich nehme all meine Kräfte zusammen und schleppe mich auf die Straße, um eine Yello Yello zu finden, das mich ins Krankenhaus bringt. Dort kann ich mich nur noch auf eine Bank legen und hoffen, dass mich jemand aufklaubt. Nur einmal muss ich hinauslaufen, um mich zu übergeben.

Tatsächlich nimmt sich ein Arzt meiner an. Seine Diagnose: Lungenentzündung.

Naja: Aller guten Dinge sind drei.

Der Bluttest ergibt: Malaria negativ, kann aber noch in der Leber sein; Typhus positiv und eben Lungenentzündung. Folge: Stationäre Aufnahme.

Bild: Infusionen
Infusionen

 

Und jetzt zwischendurch eine wichtige Information: Natürlich hat das Krankenhaus nicht unseren Standard: Aber ich habe mich zu keinem Zeitpunkt unwohl gefühlt, schlecht behandelt oder hatte Angst, dass nicht genug auf mich geachtet wird oder ich es mich inkompetenten Personal zu tun habe. Ich habe auch heute noch volles Vertrauen in die Ärzte und Krankenschwestern – zumindest dieses Krankenhauses.

 

Sonntag, 26. November

Ich bekomme Fieber. Das ist neu. Und besorgniserregend.

 

Montag, 27. November

Bild: Hl. Luzia
Hl. Luzia, Namensgeberin des Krankenhauses

Ich huste immer noch. Also geht’s zum Lungenröntgen. In eine Röntgeninstitut am anderen Ende der Stadt. Krankentransport gibt es da nicht. Ich nehme also ein Yello Yello.

Ergebnis: Ich muss noch eine Nacht bleiben.

 

Dienstag, 28. November

Ich werde aus dem Krankhaus entlassen, nicht ohne eine größere Menge an Medikamenten.

Ich bin noch nicht vollständig gesund, aber stationär muss ich auch nicht mehr bleiben.

 

Freitag, 1. Dezember

Am Abend will ich etwas essen. In der Jungle-Bar bestelle ich Huhn mit Reis. Ich nehme fünf Löffel voll und bekomme das Gefühl, dass ich gleich sterben müsse. Um das richtig zu verstehen: Ich habe keine Schmerzen und weiß, dass ich nicht sterben werde. Aber der ganze Körper fühlt sich so an, so, als ob er einfach langsam herunterfährt … so muss sich das anfühlen, hab ich mir gedacht. So geht sterben. Ich lege mich einfach ins Bett und wartete auf das Ende …

 

Montag, 4. Dezember

Das Ende ist gekommen. Nämlich das Ende der Krankheit. Ich bin wieder gesund. Und fit. Ganz plötzlich. So als ob nie etwas gewesen wäre.

 

Ich habe eine Erfahrung gemacht, die ich nicht so schnell vergessen werde. Ich werde die Menschen nicht vergessen, die sich um mich gekümmert haben. Ich werde die Zustände nicht vergessen, die ich durchleben musste.

Ich werde auch nicht vergessen, dass ich auch sterben hätte können. Scheinbar habe ich nicht nur eine gute, medizinische Versorgung erhalten, sondern auch ein gutes Immunsystem.

Das war so nicht geplant. Aber ich hatte ohnehin keinen Plan. Am Ende bin ich dankbar für diese Erfahrung.


2 Antworten

  1. Das zu lesen, tut weh und ich bin froh, dass du in der Zwischenzeit Weihnachten mit deiner Familie feiern konntest, doch du hast dich auf die Reise eingelassen und bist um eine wesentliche Erfahrung reicher. Der Tot ist Teil jedes Lebens, du weißt es durch dein Engagement u. a. beim Roten Kreuz selber aus der Perspektive des Helfers zu genüge, doch jetzt auch aus deiner eigenen Erfahrung selbst. Der Tot ist aber auch Bruder und lehrt uns bewusst mit dem Leben umzugehen und auch dankbar die kleinen Dinge zu achten. Ich selbst lernen da selber noch viel und bin froh, dass du auch retour gekommen bist, für so manche Gespräche, Begegnungen und Erfahrungen auch bei und mit uns 😉!

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